Der Dunkle Turm 3 - Tot
Jake stellte zu seinem Entsetzen fest, der blonde Mann versuchte zu entscheiden, ob Jake ihn veräppelt hatte oder nicht. Sollte er zum Ergebnis kommen, daß Jake ihn veräppelt hatte, konnte er sich, sagte seine innere Stimme, auf Mißhandlungen einstellen, gegen die die Grausamkeiten auf dem Weg hierher sich wie Kitzeln ausnehmen würden. Plötzlich wollte er Ticktacks Gedanken ablenken; das wollte er mehr als alles andere auf der Welt. Er sagte das erste, das dies seiner Meinung nach bewerkstelligen würde.
»Er war Ihr Großvater, nicht?«
Der Ticktackmann zog fragend die Brauen hoch. Er legte Jake die Hände wieder auf die Schultern, und auch wenn sein Griff nicht fest war, konnte Jake die phänomenale Kraft spüren. Sollte Ticktack beschließen, fest zuzudrücken und heftig zu ziehen, würde er Jakes Schlüsselbeine wie Bleistifte brechen. Wenn er schubste, würde er ihm möglicherweise den Rücken brechen.
»Wer war mein Großvater, Bübchen?«
Jakes Blick glitt wieder über den gewaltigen, edel geformten Kopf und die breiten Schultern des Ticktackmannes. Ihm fiel wieder ein, was Susannah gesagt hatte: Sieh dir an, wie groß er ist, Roland – sie müssen ihn eingeölt haben, damit er ins Cockpit gleiten konnte!
»Der Mann im Flugzeug. David Quick.«
Der Ticktackmann riß überrascht und erstaunt die Augen auf. Dann warf er den Kopf zurück und brüllte eine Lachsalve hinaus, die von der halbrunden Decke hoch oben widerhallte. Die anderen lächelten nervös. Aber keiner wagte es, laut zu lachen… allen stand das Schicksal der Frau mit den dunklen Haaren noch vor Augen.
»Wer immer du bist und woher du auch kommst, Junge, du bist der listigste Fuchs, der dem alten Ticktack seit vielen Jahren untergekommen ist. Quick war mein Urgroßvater, nicht mein Großvater, aber das war nahe genug – meinst du nicht auch, teuerster Schlitzer?«
»Ay«, sagte Schlitzer. »Schlau genug isser, das hätt ich der sagen können. Aber trotzdem ziemlich keck.«
»Ja«, sagte der Ticktackmann nachdenklich. Der Griff der Hände um Jakes Schultern wurde fester, und er zog den Jungen langsam zu seinem lächelnden, hübschen, irren Gesicht. »Ich kann sehen, daß er keck ist. Sieht man in seinen Augen. Aber darum werden wir uns kümmern, Schlitzer, oder nicht?«
Er redet nicht mit Schlitzer, dachte Jake. Mit mir. Er glaubt, er hypnotisiert mich… und vielleicht gelingt es ihm ja.
»Ay«, hauchte Schlitzer.
Jake spürte, wie er in diesen großen grünen Augen ertrank. Der Griff des Ticktackmannes war immer noch nicht fest, aber er bekam nicht genügend Luft in die Lungen. Er nahm alle Kraft zusammen, um den Einfluß des blonden Mannes zu brechen, und sagte wieder das erste, was ihm in den Sinn kam:
»So fiel Lord Perth, und das Land erbebte im Donner.«
Das hatte auf Ticktack dieselbe Wirkung wie ein Faustschlag ins ungedeckte Gesicht. Er fuhr zurück, kniff die grünen Augen zusammen und umklammerte Jakes Schultern schmerzlich. »Was hast du da gesagt? Wo hast du das gehört?«
»Ein kleines Vögelchen hat es mir gezwitschert«, antwortete Jake kalkuliert frech, und im nächsten Augenblick flog er durch den Raum.
Wäre er mit dem Kopf zuerst gegen die gerundete Wand geprallt, wäre er bewußtlos geworden oder gestorben. So aber prallte er mit einer Hüfte auf, fiel hin und landete wie ein Häufchen Elend auf dem Gitter. Er schüttelte benommen den Kopf, sah sich um und stellte fest, daß er der Frau, die keine Siesta hielt, von Angesicht zu Angesicht gegenüberlag. Er stieß einen erschrockenen Schrei aus und kroch auf Händen und Knien weg. Hoots trat ihm an die Brust und warf ihn damit auf den Rücken. Jake lag stöhnend da und sah zu dem Knoten der Regenbogenfarben hinauf, wo die Neonröhren zusammenliefen. Einen Augenblick später füllte Ticktacks Gesicht seinen ganzen Sehbereich aus. Die Lippen des Mannes waren zu einer harten, geraden Linie zusammengepreßt, die Wangen gerötet, und er hatte Angst in den Augen. Das sargförmige Glasmedaillon, das er um den Hals trug, hing direkt vor Jakes Augen und baumelte an der Silberkette hin und her, als wollte er die Bewegung des Pendels im Inneren nachahmen.
»Schlitzer hat recht«, sagte er. Er knüllte Jakes Hemd mit einer Faust zusammen und zog ihn hoch. »Du bist keck. Aber mit mir sollte man besser nicht keck sein, Bübchen. Mit mir sollte man niemals keck sein. Hast du von Leuten mit wenig Geduld gehört? Nun, ich hab’ gar keine Geduld, das könnten Tausende
Weitere Kostenlose Bücher