Der Dunkle Turm 3 - Tot
Sitze fallen. Oy sprang ihm sofort auf den Schoß. Roland nahm den Sessel neben ihm und warf der Eisskulptur einen Blick zu. Der Lauf des Revolvers tropfte schon in das flache Porzellanbecken, in dem die Skulptur stand.
Eddie setzte sich mit Susannah auf ein Sofa. Es erwies sich als so bequem, wie er es erwartet hatte. »Wo genau fahren wir hin, Blaine?«
Blaine antwortete in dem geduldigen Tonfall von jemand, dem klar ist, er hat es mit einem Minderbemittelten zu tun und muß Zugeständnisse machen. »AUF DEM PFAD DES BALKENS. JEDENFALLS SOWEIT MEINE SCHIENEN REICHEN.«
»Zum Dunklen Turm?« fragte Roland. Susannah wurde klar, daß Roland eben zum erstenmal zu dem geschwätzigen Geist in der Maschine unter Lud gesprochen hatte.
»Nur bis Topeka«, sagte Jake mit leiser Stimme.
»JA«, sagte Blaine. »TOPEKA IST DER NAME MEINER ENDSTATION, ABER ES ÜBERRASCHT MICH, DASS DU IHN KENNST.«
Wo du soviel über unsere Welt weißt, dachte Jake, wie kommt es da, daß dir unbekannt ist, daß eine Frau ein Buch über dich geschrieben hat, Blaine? Liegt es am geänderten Namen? Konnte etwas so Einfaches eine komplizierte Maschine wie dich dazu bringen, daß du deine eigene Biographie übersehen hast? Und was ist mit Beryl Evans, der Frau, die angeblich Charlie Tschuff-Tschuff geschrieben hat? Hast du sie gekannt, Blaine? Und wo ist sie jetzt?
Gute Fragen… aber Jake dachte irgendwie, dies wäre nicht der geeignete Zeitpunkt, sie zu stellen.
Das Vibrieren der Slo-Trans-Motoren wurde immer stärker. Ein leises Poltern – längst nicht so stark wie die Explosion, die die Krippe, als sie eingestiegen waren, erschüttert hatte – lief durch den Boden. Susannahs Gesicht nahm einen erschrockenen Ausdruck an. »O Scheiße! Eddie! Mein Rollstuhl! Er ist noch draußen!«
Eddie legte ihr einen Arm um die Schultern. »Jetzt ist es zu spät, Baby«, sagte er, während Blaine, der Mono, sich in Bewegung setzte und zum erstenmal seit zehn Jahren auf das Tor der Krippe zufuhr… zum letztenmal in seiner langen, langen Geschichte.
5
»DIE BARONSKABINE VERFÜGT ÜBER EIN BESONDERS EINDRUCKSVOLLES SICHTMODUL«, sagte Blaine. »MÖCHTET IHR, DASS ICH ES AKTIVIERE?«
Jake sah Roland an, der die Achseln zuckte und nickte.
»Ja, bitte«, sagte Jake.
Was dann geschah, war so atemberaubend, daß alle verstummten… Roland, der wenig von Technologie wußte, aber sein ganzes Leben lang mit Magie auf vertrautem Fuß gestanden hatte, blieb von allen am unbeeindrucktesten. Es war nicht so, daß ein Fenster in der gekrümmten Wand des Abteils erschien; die gesamte Kabine – Boden und Decke ebenso wie Wände – wurde milchig, wurde durchscheinend, wurde durchsichtig und verschwand dann völlig. Innerhalb von fünf Sekunden schien Blaine, der Mono, verschwunden zu sein – und die Pilger schienen ohne Hilfsmittel oder Untersatz durch die Straßen der Stadt zu rasen.
Susannah und Eddie umklammerten einander wie kleine Kinder vor einem zum Angriff geduckten Tier. Oy bellte und versuchte, sich in Jakes Hemd zu verkriechen. Jake bemerkte es kaum; er umklammerte die Lehnen seines Sitzes und sah von einer Seite zur anderen; seine Augen waren staunend aufgerissen. Sein erster Schrecken wich freudigem Entzücken.
Das Mobiliar war immer noch zu sehen, ebenso die Bar, das Cembalo und die Eisskulptur, die Blaine als Partygag geschaffen hatte, aber jetzt schien diese Wohnzimmeranordnung zwanzig Meter über der regennassen Innenstadt von Lud zu schweben. Fünf Schritte links von Jake schwebten Eddie und Susannah auf einem Sofa; drei Schritte rechts saß Roland auf einem pastellblauen Drehstuhl, hatte die staubigen, mitgenommenen Cowboystiefel auf nichts stehen und schwebte so gelassen über das abfallübersäte, urbane wüste Land unten.
Jake konnte den Teppichboden unter den Füßen spüren, aber seine Augen bestanden darauf, daß weder der Teppich noch der Boden darunter da waren. Er blickte über die Schulter zurück und sah den dunklen Spalt in der Mauer der Krippe langsam in der Ferne entschwinden.
»Eddie! Susannah! Seht mal!«
Jake stand auf, hielt Oy in seinem Hemd und ging langsam über scheinbare Leere. Es erforderte große Willenskraft, den ersten Schritt zu machen, da seine Augen ihm sagten, es lag überhaupt nichts zwischen den schwebenden Inseln der Möbelstücke; aber als er in Bewegung war, machte es das unwiderlegbare Gefühl von Boden unter den Füßen leichter. Für Eddie und Susannah sah es aus, als würde der Junge
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