Der Dunkle Turm 3 - Tot
durch die Luft wandeln, während die verfallenen, baufälligen Gebäude der Stadt auf beiden Seiten vorbeiglitten.
»Laß das sein, Junge«, sagte Eddie kläglich. »Wenn ich dir zusehe, kommt’s mir hoch.«
Jake hob Oy vorsichtig aus dem Hemd. »Schon gut«, sagte er und setzte ihn ab. »Siehst du?«
»Oy!« stimmte der Bumbler zu, aber als er einen Blick zwischen den Pfoten hindurch auf den Stadtpark geworfen hatte, der gerade unter ihnen vorbeiglitt, versuchte er, auf Jakes Füße zu springen und auf dessen Mokassins zu sitzen.
Jake sah geradeaus und erblickte den breiten grauen Strich der Schiene vor ihnen, die langsam, aber sicher zwischen den Gebäuden anstieg und im Regen verschwand. Er sah wieder nach unten und erblickte nur die Straße und schwebende Fetzen tiefhängender Wolken.
»Wie kommt es, daß ich die Schiene unter uns nicht sehen kann, Blaine?«
»DIE BILDER, DIE DU SIEHST, SIND COMPUTERERZEUGT«, antwortete Blaine. »DER COMPUTER LÖSCHT DIE SCHIENE AUS DEM BILD DES UNTEREN QUADRANTEN, DAMIT EINE SCHÖNERE AUSSICHT ENTSTEHT – UND UM DIE ILLUSION ZU VERSTÄRKEN, DASS DIE PASSAGIERE FLIEGEN.«
»Das ist unglaublich«, sagte Susannah. Ihre anfängliche Angst war verflogen, sie sah sich interessiert um. »Wie auf einem fliegenden Teppich. Ich rechne immer damit, daß mir der Wind das Haar aus dem Gesicht weht…«
»ICH KANN DIESE EMPFINDUNGEN ERZEUGEN, WENN IHR WOLLT«, sagte Blaine. »EBENSO EIN WENIG FEUCHTIGKEIT, DIE DEN DERZEITIGEN AUSSENBEDINGUNGEN ENTSPRICHT. DAS KÖNNTE ALLERDINGS EINEN KLEIDUNGSWECHSEL ERFORDERLICH MACHEN.«
»Schon gut, Blaine. Man kann eine Illusion auch zu weit treiben.«
Die Schiene führte durch eine Gruppe von Gebäuden, die Jake ein wenig an den Wall-Street-Bezirk in New York erinnerten. Als sie diesen hinter sich gebracht hatten, neigte sich die Schiene abwärts und verlief unter etwas hindurch, das wie eine Straßenüberführung aussah. Da sahen sie die purpurne Wolke und die Menschenmenge, die vor ihr die Flucht ergriff.
6
»Blaine, was ist das?« fragte Jake, aber er wußte es bereits.
Blaine lachte nur… sonst gab er keine Antwort.
Der purpurne Dunst schwebte aus Gittern in den Gehwegen und Fenstern verlassener Gebäude; aber der größte Teil schien aus den Kanaldeckeln zu kommen, durch die Schlitzer ihn in die Tunnel unter den Straßen geführt hatte. Die Eisendeckel waren von der Explosion weggeschleudert worden, die sie beim Betreten des Mono gespürt hatten. Sie sahen voll stummem Entsetzen, wie das blutergußfarbene Gas die Prachtstraßen entlangkroch und sich in den schmalen Nebenstraßen verteilte. Es trieb die Bewohner von Lud, denen noch etwas an ihrem Überleben gelegen war, wie Vieh vor sich her. Die meisten waren Pubes, was man an den Schals erkennen konnte, aber Jake konnte auch einige hellgelbe Tupfer sehen. Da das Ende nun endlich über sie gekommen war, waren alte Feindseligkeiten vergessen.
Die Purpurwolke holte die Flüchtigen ein – weitgehend alte Leute, die nicht richtig laufen konnten. Diese fielen hin, umklammerten die Hälse und schrien lautlos, wenn das Gas sie einholte. Jake sah ein schmerzverzerrtes Gesicht, das fassungslos aufsah, als sie darüber hinwegfuhren, sah die Augen, die sich langsam mit Blut füllten, und wandte sich ab.
Vor ihnen verschwand die Schiene im aufziehenden purpurnen Nebel. Eddie zuckte zusammen und hielt den Atem an, als sie eintauchten, aber selbstverständlich teilte sie sich um den Zug, und kein Hauch des Todes drang herein. Sah man in die Straßen unten, war es, als sähe man durch ein Buntglasfenster direkt in die Hölle.
Susannah legte das Gesicht an Eddies Brust.
»Bring die Wände wieder zurück, Blaine«, sagte er. »Das wollen wir nicht sehen.«
Blaine antwortete nicht, und die Wände um sie und unter ihnen blieben durchsichtig. Die Wolke löste sich bereits in zerrissene purpurne Fetzen auf. Hinter ihr wurden die Häuser der Stadt kleiner und rückten dichter zusammen. Die Straßen dieses Stadtteils bildeten ein Wirrwarr von Gassen, scheinbar ohne Ordnung oder Zusammenhang. An manchen Stellen schienen ganze Blocks niedergebrannt worden zu sein… und zwar schon vor langer Zeit, denn die Vegetation forderte diese Stücke zurück und begrub das Geröll unter dem Gras, das dereinst ganz Lud schlucken würde. So wie der Dschungel die großen Zivilisationen der Inkas und Mayas verschluckt hat, dachte Eddie. Das Rad des Ka dreht sich, und die Welt dreht sich weiter.
Hinter
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