Der Dunkle Turm 3 - Tot
Schlüssel auf den Schreibtisch gelegt, bevor er im Schrank nach dem alten Schulranzen gesucht hatte, und die Stimmen hatten sofort wieder eingesetzt, aber sie waren fern und gedämpft. Außerdem war er sicher, er konnte sie ganz zum Schweigen bringen, wenn er den Schlüssel in die Hand nahm, und das beruhigte ihn.
Okay, dachte er und sah in den Ranzen. Selbst mit den Büchern hatte er noch jede Menge Platz. Was noch?
Einen Moment dachte er, sonst nichts mehr, aber dann fiel es ihm ein.
6
Im Arbeitszimmer seines Vaters roch es nach Zigaretten und Ehrgeiz.
Es wurde von einem riesigen Teakholzschreibtisch beherrscht. Auf der anderen Seite des Zimmers, an einer Wand, die sonst mit Büchern vollgestellt war, waren vier Fernsehmonitoren von Mitsubishi eingelassen. Jeder war auf einen der großen Konkurrenzsender eingestellt, und nachts, wenn sein Vater hier drinnen war, gab jeder seine Abfolge Bilder zur besten Sendezeit von sich, aber der Ton blieb ausgeschaltet.
Die Vorhänge waren zugezogen, und Jake mußte die Schreibtischlampe einschalten, damit er sehen konnte. Allein hier drinnen zu sein, machte ihn nervös. Sollte sein Vater aufwachen und hereinkommen (was möglich war; wie spät er auch ins Bett ging oder wieviel er trank, Elmer Chambers hatte immer einen leichten Schlaf und war ein Frühaufsteher), würde er böse werden. Was einen sauberen Abgang mindestens erschweren würde. Je früher er hier wieder draußen war, desto erleichterter würde sich Jake fühlen.
Der Schreibtisch war abgeschlossen, aber sein Vater hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, wo er den Schlüssel aufbewahrte. Jake streckte die Finger unter die Schreibtischunterlage und fischte ihn hervor. Er machte die dritte Schublade auf, griff unter die hängenden Ordner und berührte kaltes Metall.
Ein Dielenbrett quietschte auf dem Flur, und Jake erstarrte. Als sich das Quietschen nicht wiederholte, zog Jake die Waffe heraus, die sein Vater dort aufbewahrte – eine 44er Ruger Automatik. Sein Vater hatte Jake die Waffe an dem Tag, als er sie kaufte, mit großem Stolz gezeigt – vor zwei Jahren war das gewesen. Er war vollkommen taub für das nervöse Beharren seiner Frau gewesen, er sollte sie wegschließen, bevor jemand zu Schaden kam.
Jake ertastete den Knopf an der Seite, der das Magazin herausspringen ließ. Dieses fiel ihm mit einem metallischen Schnack! in die Hand, das in der stillen Wohnung sehr laut wirkte. Er sah wieder nervös zur Tür, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Magazin. Es war voll. Er wollte es schon in die Waffe schieben, holte es dann aber doch wieder heraus. Eine geladene Waffe in einer geschlossenen Schreibtischschublade aufzubewahren, gut und schön; aber eine in New York City herumzutragen – das stand wieder auf einem anderen Blatt.
Er stopfte die Automatik ganz unten in den Ranzen, dann tastete er wieder hinter die hängenden Ordner. Diesmal holte er eine halbvolle Schachtel Munition heraus. Er wußte noch, sein Vater hatte auf dem Polizeischießstand in der First Avenue geübt, dann aber das Interesse verloren.
Das Dielenbrett quietschte wieder. Jake wollte hier raus.
Er holte eines der Hemden, die er eingepackt hatte, aus dem Ranzen und wickelte das Magazin und die Schachtel Munition darin ein. Er wollte gerade gehen, als sein Blick auf den kleinen Stapel Briefpapier neben den Postein- und -ausgangskörbchen fiel. Die verspiegelte Sonnenbrille von Ray Ban, die sein Vater so gerne trug, lag zusammengeklappt auf dem Briefpapier. Er nahm ein Blatt und nach einem Augenblick des Nachdenkens auch die Sonnenbrille. Die Brille steckte er in die Brusttasche. Dann nahm er den schlanken goldenen Füller aus dem Ständer und schrieb Lieber Dad, liebe Mom unter den Briefkopf.
Er hielt inne und betrachtete den Gruß stirnrunzelnd. Wie ging es weiter? Was genau hatte er zu sagen? Daß er sie liebte? Das entsprach der Wahrheit, aber es reichte nicht aus – alle möglichen anderen unangenehmen Tatsachen durchbohrten dieses Kernstück wie Nadeln ein Wollknäuel. Daß er sie vermissen würde? Er wußte nicht, ob das stimmte oder nicht, was irgendwie schrecklich war. Daß er hoffte, sie würden ihn vermissen?
Plötzlich wurde ihm klar, worin das Problem bestand. Wenn er vorhätte, nur heute wegzugehen, würde ihm etwas einfallen. Aber er verspürte die beinahige Gewißheit, daß es sich nicht nur um diesen Tag handelte, diese Woche, diesen Monat oder diesen Sommer. Er hatte eine Ahnung, wenn er
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