Der Dunkle Turm 3 - Tot
Schlüssel an. Ja, das wußte er. Er mußte versuchen, ihn zu vollenden. Seine Angst zu versagen würde es noch schwerer machen, als es ohnehin schon war, aber er mußte die Angst überwinden und es trotzdem versuchen. Vielleicht konnte er es sogar durchziehen. Weiß Gott, er hatte eine Menge durchgezogen, seit Roland an Bord eines Delta-Jets auf dem Weg zum JFK-Flughafen in seinen Verstand eingedrungen war. Daß er noch am Leben und geistig gesund war, das war an sich schon eine Leistung.
Eddie gab Roland den Schlüssel zurück. »Trag ihn noch eine Weile«, sagte er. »Ich mache mich wieder an die Arbeit, wenn wir einen Rastplatz für die Nacht gefunden haben.«
»Versprochen?«
»Ja.«
Roland nickte, nahm den Schlüssel und knotete die Wildlederschnur wieder zu. Er machte es langsam, aber Eddie entging nicht, wie behende er die verbliebenen zwei Finger der rechten Hand bewegte. Der Mann war anpassungsfähig, das mußte man ihm lassen.
»Es wird etwas passieren, oder nicht?« fragte Susannah plötzlich.
Eddie sah zu ihr auf. »Wie kommst du darauf?«
»Ich schlafe bei dir, Eddie, und ich weiß, daß du jede Nacht träumst. Manchmal redest du auch. Es scheinen nicht gerade Alpträume zu sein, aber es ist ziemlich deutlich, daß etwas in deinem Kopf vor sich geht.«
»Ja. Das stimmt. Ich weiß nur noch nicht, was es ist.«
»Träume haben große Macht«, bemerkte Roland. »Kannst du dich überhaupt nicht an deine erinnern?«
Eddie zögerte. »Ein wenig, aber sie sind ziemlich wirr. Ich bin wieder ein Kind, soviel weiß ich. Die Schule ist aus. Henry und ich spielen auf dem alten Spielplatz in der Markey Avenue, wo heute das Jugendgericht steht. Ich möchte, daß Henry mich zu einem Haus in Dutch Hill bringt. Einem alten Haus. Die Kinder nennen es die ›Villa‹, und alle sagen, daß es dort spukt. Was vielleicht sogar gestimmt hat. Es war unheimlich dort, das weiß ich noch. Echt unheimlich.«
Eddie schüttelte nachdenklich den Kopf.
»Ich habe zum erstenmal seit Jahren an die Villa gedacht, als wir auf der Lichtung des Bären waren und ich den Kopf dicht an diesen merkwürdigen Pavillon gehalten habe. Weiß nicht – vielleicht habe ich deswegen den Traum.«
»Aber du glaubst es nicht«, sagte Susannah.
»Nein, ich glaube, was da vorgeht, das ist weitaus komplizierter als nur die Erinnerung an etwas.«
»Seid ihr – du und dein Bruder – wirklich an diesem Ort gewesen?« fragte Roland.
»Ja – ich habe ihn dazu überredet.«
»Und ist etwas passiert?«
»Nein. Aber es war unheimlich. Wir standen da und haben das Haus eine Weile angesehen, und Henry hat mich aufgezogen – er hat gesagt, ich müßte reingehen und ein Andenken mitbringen, so etwas –, aber ich wußte, es war eigentlich nicht sein Ernst. Er hatte ebensogroße Angst vor dem Gebäude wie ich.«
»Und das ist alles?« fragte Susannah. »Du träumst einfach, daß du zu diesem Haus gehst. Der Villa?«
»Es ist noch ein bißchen mehr. Jemand kommt… und hängt dann einfach da rum. Ich bemerke ihn in dem Traum, aber nur ein bißchen… wie aus dem Augenwinkel, wißt ihr? Aber ich weiß, wir müssen so tun, als ob wir einander nicht kennen.«
»War dieser Jemand am fraglichen Tag tatsächlich dort?« fragte Roland. Er sah Eddie eindringlich an. »Oder ist er nur ein Spieler in diesem Traum?«
»Es ist schon lange her. Ich kann nicht älter als dreizehn gewesen sein. Wie sollte ich mich mit Sicherheit an so etwas erinnern?«
Roland sagte nichts.
»Okay«, sagte Eddie schließlich. »Ja, ich glaube, er war an jenem Tag dort. Ein Junge, der eine Sporttasche oder einen Rucksack trug, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Und eine Sonnenbrille, die zu groß für sein Gesicht war. Mit Spiegelgläsern.«
»Wer war diese Person?« fragte Roland.
Eddie schwieg lange Zeit. Er hielt die letzte Frikadelle à la Roland in seiner Hand, hatte aber keinen Hunger mehr. »Ich glaube, es ist der Junge, den du im Rasthaus getroffen hast«, sagte er schließlich. »Ich glaube, dein alter Freund Jake hat mich und Henry an dem Nachmittag beobachtet, als wir nach Dutch Hill gegangen sind. Ich glaube, er ist uns gefolgt. Weil er die Stimmen hört, genau wie du, Roland. Und weil er an meinen Träumen Anteil hat und ich an seinen. Ich glaube, woran ich mich erinnere, das passiert gerade jetzt in Jakes Zeit. Der Junge versucht, hierher zurückzukommen. Und wenn der Schlüssel nicht fertig ist, wenn er handelt – oder wenn er fehlerhaft ist –, wird
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