Der Dunkle Turm 3 - Tot
dieselbe Weise finden. Heute nachmittag, Jake. Gegen drei Uhr müßte gut sein. Du mußt vorsichtig sein, und du mußt schnell sein. Er verstummte – ein geisterhafter Junge, der einen alten Basketball neben dem durchsichtigen Fuß liegen hatte. Ich muß gehen… aber es war schön, dich kennenzulernen. Du scheinst ein netter Junge zu sein, und es überrascht mich nicht, daß er dich gern hat. Aber es besteht Gefahr. Sei vorsichtig… und sei schnell.
Warte! rief Jake und rannte über das Basketballfeld auf den verblassenden Jungen zu. Mit einem Fuß stolperte er über einen Mechanismus, der wie ein zerdepperter Spielzeugtraktor aussah. Er stolperte, fiel auf die Knie und riß sich die Hose auf. Er achtete nicht auf den leichten Schmerz. Warte! Du mußt mir sagen, was das alles zu bedeuten hat! Du mußt mir sagen, warum mir das alles zustößt!
Wegen des Balkens, antwortete der Junge, der jetzt nur noch aus einem schwebenden Augenpaar bestand, und wegen des Turms. Letztendlich dient alles, auch die Balken, dem Dunklen Turm. Hast du gedacht, bei dir wäre das anders?
Jake ruderte mit den Armen und stand stolpernd auf. Werde ich ihn finden? Werde ich den Revolvermann finden?
Ich weiß nicht, antwortete der Junge. Seine Stimme schien jetzt aus einer Entfernung von Millionen Meilen zu kommen. Ich weiß nur, daß du es versuchen mußt. Diesbezüglich hast du keine andere Wahl.
Der Junge war fort. Das Basketballfeld im Wald war verlassen. Nur das leise Dröhnen der Maschinen war noch zu hören, und das gefiel Jake nicht. Mit diesem Geräusch stimmte etwas nicht, und er dachte, was mit der Maschine nicht in Ordnung war, beeinträchtigte auch die Rose – oder umgekehrt. Alles hing irgendwie zusammen.
Er hob den alten, staubigen Basketball auf und warf. Der Ball fiel durch den Korb… und verschwand.
Ein Fluß, seufzte die Stimme des fremden Jungen. Sie war wie der Hauch einer Brise. Sie kam von überall und nirgends. Die Antwort ist ein Fluß.
4
Jake wachte im ersten trüben Licht der Dämmerung auf und sah zur Decke seines Zimmers. Er mußte an den Mann im Manhattan-Restaurant für geistige Nahrung denken – Aaron Deepneau, der auf der Bleeker Street herumgehangen hatte, als Bob Dylan noch kaum wußte, wie er einen offenen G-Dur-Akkord auf seiner Hohner spielen sollte. Aaron Deepneau hatte Jake ein Rätsel aufgegeben.
Was bewegt sich und kommt nicht fort,
Hat einen Mund und spricht kein Wort,
Hat ein Bett und kann doch nicht schlafen,
Und birgt für manchen einen sicheren Hafen?
Jetzt kannte er die Antwort. Ein Fluß bewegte sich – er strömte; ein Fluß hatte einen Mund, besser gesagt, eine Mündung; ein Fluß hatte auch ein Bett; und ein Fluß barg gewiß auch einen sicheren Hafen. Der Junge hatte ihm die Antwort verraten. Der Junge im Traum.
Und plötzlich fiel ihm noch etwas ein, das Deepneau gesagt hatte: Das ist nur die halbe Antwort. Samsons Rätsel besteht aus zwei Teilen, mein Freund.
Jake sah auf die Nachttischuhr und stellte fest, es war zwanzig nach sechs. Zeit aufzustehen, wenn er hier fort sein wollte, bevor seine Eltern wach wurden. Er würde heute nicht in die Schule gehen; Jake überlegte sich, daß die Schule vielleicht für immer gestrichen war, was ihn anbelangte.
Er schlug die Bettdecke zurück, schwang die Füße auf den Boden und stellte fest, daß er an beiden Knien Aufschürfungen hatte. Frische Aufschürfungen. Er hatte sich gestern die linke Seite gestoßen, als er auf den Steinen ausgerutscht und gefallen war, und er hatte sich den Kopf angeschlagen, als er bei der Rose das Bewußtsein verloren hatte, aber mit seinen Knien war nichts passiert.
»Das ist in dem Traum geschehen«, flüsterte Jake und mußte feststellen, daß er nicht im geringsten überrascht war. Er zog sich rasch an.
5
Ganz hinten in seinem Schrank fand er unter einem Durcheinander von alten Turnschuhen ohne Schnürsenkel und einem Stapel Spiderman -Comics den Schulranzen, den er in der Grundschule getragen hatte. In der Piper würde sich ums Verrecken niemand mit einem Ranzen erwischen lassen, den man auf dem Rücken trug – wie gewöhnlich, meine Güte –, und als Jake ihn ergriff, verspürte er eine Woge übermächtiger Sehnsucht nach den alten Zeiten, als das Leben noch so einfach gewesen war.
Er verstaute ein sauberes Hemd, ein frisches Paar Jeans, etwas Unterwäsche und Socken darin, dann fügte er Ringelrätselreihen und Charlie Tschuff-Tschuff hinzu. Er hatte den
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