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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Gold.
     
     
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    In der letzten Stunde vor der Dämmerung war es im Schankraum des Traveller’s Rest so ruhig, wie es nur sein konnte. Die Gaslichter, die den Lüster in den meisten Nächten bis gegen zwei Uhr in ein funkelndes Juwel verwandelten, waren zu flackernden blauen Pünktchen heruntergedreht worden; der lange, hohe Raum wirkte schattig und geisterhaft.
    In einer der Ecken lag ein Durcheinander von Holztrümmern – Überreste von zwei Stühlen, die bei einem Streit wegen einer Partie Watch Me zertrümmert worden waren (die Kontrahenten residierten derzeit in der Ausnüchterungszelle des Hohen Sheriffs). In einer anderen Ecke befand sich eine ziemlich große Lache gerinnender Kotze. Auf dem erhöhten Podest am östlichen Ende des Raums stand ein arg mitgenommenes Klavier; am zugehörigen Schemel lehnte der Schlagstock aus Eisenholz, der Barkie gehörte, dem Mann fürs Grobe und Rausschmeißer des Saloons. Barkie selbst lag schnarchend unter dem Schemel, wo der nackte Hügel seines Bauchs über dem Saum seiner Kordhose aufragte wie ein Klumpen Brotteig. In der einen Hand hielt er eine Spielkarte: die Karo Zwei.
    Am westlichen Ende des Raums standen die Kartentische. Auf einem lagen zwei Betrunkene, den Kopf auf dem grünen Filz, schnarchend und sabbernd. Ihre ausgestreckten Hände berührten sich. Über ihnen an der Wand hing ein Bild von Arthur, dem großen König von Eld, auf seinem weißen Hengst, sowie ein Bild, auf dem (in einer seltsamen Mischung aus der Hohen und der niederen Sprache) geschrieben stand: HADERE NICHT MIT DEN KARTEN , DIE DIR IM SPIEL UND IM LEBEN AUSGETEILT WERDEN .
    Hinter dem Tresen, der sich durch die gesamte Länge des Raums erstreckte, war eine monströse Trophäe an die Wand montiert: ein Elch mit zwei Köpfen, einem Geweih, das wie ein dichtes Wäldchen aussah, und vier Glotzaugen. Dieses Tier trug bei den einheimischen Stammgästen des Traveller’s den Namen Wildfang. Warum das so war, konnte niemand sagen. Ein Witzbold hatte behutsam zwei Sauzitzen-Kondome über zwei Enden des Geweihs gestreift. Auf dem Tresen selbst, gleich unterhalb des missbilligenden Blicks des Wildfangs, lag Pettie das Trampel, eine der Tänzerinnen und leichten Mädchen des Traveller’s… Obschon Petties Mädchentage längst vergangen waren und sie bald gezwungen sein würde, ihrem Gewerbe hinter dem Traveller’s auf den Knien nachzugehen und nicht mehr oben in einer der winzigen Kammern. Ihre plumpen Beine waren gespreizt, eines hing an der Innenseite über den Tresen, eines an der Außenseite, dazwischen bauschte sich das schmutzige Durcheinander ihres Rocks. Sie atmete mit lang gezogenen Schnarchtönen und zuckte dann und wann mit ihren Füßen und Wurstfingern. Die einzigen anderen Geräusche waren der heiße Sommerwind draußen und das leise, regelmäßige Klatschen von Karten, die eine nach der anderen umgedreht wurden.
    Neben der Schwingtür, die auf Hambrys Hauptstraße hinausging, stand ein kleiner Tisch abseits; dort saß Coral Thorin, die Besitzerin des Traveller’s Rest (und Schwester des Bürgermeisters), in den Nächten, wenn sie von ihrer Suite herabkam, »um an der Gesellschaft teilzunehmen«. Wenn sie herunterkam, kam sie früh – solange noch mehr Steaks als Whiskey über den zerkratzten Tresen geschoben wurden – und ging etwa zu der Zeit wieder nach oben, wenn Sheb, der Klavierspieler, seinen Platz einnahm und anfing, auf sein grässliches Instrument einzuhämmern. Der Bürgermeister selbst kam niemals hierher, obwohl allgemein bekannt war, dass ihm der Traveller’s mindestens zur Hälfte gehörte. Dem Thorin-Clan gefiel das Geld, das das Etablissement einbrachte; nur der Anblick nach Mitternacht gefiel ihnen nicht, dann wenn das Sägemehl auf dem Boden das verschüttete Bier und das vergossene Blut aufzusaugen begann. Dennoch hatte Coral, die vor zwanzig Jahren der Typ gewesen war, den man als »wildes Kind« bezeichnete, einen harten Zug an sich. Sie war jünger als ihr Politikerbruder, nicht so dünn, und mit ihren Glupschaugen und dem Wieselkopf auf eine eigentümlich herbe Weise hübsch. Niemand setzte sich zu ihr an den Tisch, solange der Saloon geöffnet hatte – Barkie hätte jeden daran gehindert, der es gewagt hätte, und zwar schleunigst –, aber jetzt war geschlossen, die Betrunkenen weitgehend gegangen oder oben umgekippt; Sheb schlief zusammengerollt in der Ecke hinter seinem Klavier. Der schwachsinnige Junge, der immer das Etablissement putzte, war seit

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