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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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kalte Verachtung noch den Hass von Coral aus. In dem Fall wäre es vielleicht einfacher gewesen, sie anzusehen. Sie sah ihren Mann nur mit Augen an, die demütig, hoffnungsvoll und unglücklich waren. Nun begriff Roland, warum er gedacht hatte, dass sie traurig war. Sie hatte allen Grund, traurig zu sein.
    Wieder brach die Gruppe um den Bürgermeister in Gelächter aus; Rimer hatte sich vom Nebentisch, wo er den Vorsitz führte, hinübergebeugt und offenbar eine geistreiche Bemerkung beigesteuert. Sie musste ganz gut gewesen sein. Diesmal lachte selbst Jonas. Susan legte eine Hand auf den Busen, dann nahm sie eine Serviette und wischte sich damit eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Thorin legte seine Hand auf die ihre. Sie schaute zu Roland hin und sah ihm, immer noch lachend, in die Augen. Er dachte an Olive Thorin, die da unten am Fußende des Tisches saß, bei Salz und Gewürzen, einen unberührten Teller Suppe vor sich und dieses unglückliche Lächeln im Gesicht. Die dort saß, wo das Mädchen sie auch sehen konnte. Und er dachte, wenn er seine Revolver getragen hätte, dann hätte es gut und gern sein können, dass er einen gezogen und eine Kugel in Susan Delgados kaltes und verhurtes kleines Herz geschossen hätte.
    Und er dachte: Wem willst du etwas vormachen?
    Dann kam einer der Kellner und stellte ein Fischgericht vor ihm ab. Roland war es, als ob ihm in seinem ganzen Leben noch nie weniger nach Essen zumute gewesen war… aber er würde trotzdem essen, genau so, wie er seine Gedanken wieder den Fragen zuwenden würde, die seine Unterhaltung mit Hash Renfrew von der Lazy Susan Ranch aufgeworfen hatte. Er würde sich des Angesichts seines Vaters erinnern.
    Ja, ich werde mich ganz genau daran erinnern, dachte er. Wenn ich nur das Gesicht über jenem Saphir dort vergessen könnte.
     
     
    10
     
    Das festliche Abendessen zog sich endlos hin, und auch danach gab es kein Entkommen. Der Tisch in der Mitte des Empfangssaals war entfernt worden, und als die Gäste dorthin zurückkehrten – wie eine Flut, die ihren Höchststand erreicht hatte und nun wieder abklang –, bildeten sie auf Geheiß eines lebhaften kleinen rothaarigen Mannes, dem Cuthbert später den Titel Bürgermeister Thorins Spaßminister verlieh, nebeneinander zwei Kreise.
    Die Abfolge Junge/Mädchen, Junge/Mädchen, Junge/Mädchen wurde mit viel Gelächter und einiger Mühe eingenommen (Roland schätzte, dass inzwischen drei Viertel der Gäste gut abgefüllt waren), und dann begannen die Gitarristen eine Quesa. Das Ganze entpuppte sich als ein einfacher Tanz. Die Kreise drehten sich in entgegengesetzter Richtung, alle hielten sich an den Händen, bis die Musik für kurze Zeit aussetzte. Dann tanzte das Paar am Schnittpunkt der beiden Kreise in die Mitte des Kreises der Frau, während alle anderen klatschten und johlten.
    Der dirigierende Musiker bewältigte diese alte und eindeutig heiß geliebte Tradition mit einem guten Blick für das Lächerliche und ließ seine muchachos immer so aufhören, dass die amüsantesten Paare zustande kamen: große Frau/kleiner Mann, dicke Frau/dünner Mann, alte Frau/junger Mann (Cuthbert musste das Tanzbein mit einer Frau schwingen, die so alt wie seine Urgroßmutter war, wobei die Sai atemlos kicherte und die ganze Gesellschaft zustimmend brüllte).
    Als Roland gerade dachte, dieser alberne Tanz würde nie zu Ende gehen, verstummte die Musik – und er stand Susan Delgado gegenüber.
    Einen Augenblick lang konnte er sie nur ansehen; er glaubte, seine Augen müssten aus den Höhlen quellen und es würde ihm nicht gelingen, auch nur einen seiner dummen Füße zu bewegen. Dann hob sie die Arme, die Musik begann, der Kreis (zu dem auch Bürgermeister Thorin und der wachsame, dünnlippig lächelnde Eldred Jonas gehörten) applaudierte, und er führte sie zum Tanz.
    Anfangs, als er sie durch eine Figur wirbelte (seine Füße bewegten sich, taub oder nicht, mit der üblichen Anmut und Präzision), kam er sich vor wie ein Mann aus Glas. Dann spürte er, wie ihr Leib den seinen berührte, hörte das Rascheln ihres Kleides, und war wieder allzu menschlich.
    Sie rückte nur einen Augenblick näher, und als sie sprach, kitzelte ihr Atem ihn am Ohr. Er fragte sich, ob eine Frau einen in den Wahnsinn treiben konnte – buchstäblich in den Wahnsinn. Bis heute Abend hätte er das nicht für möglich gehalten, aber heute Abend hatte sich alles verändert.
    »Danke für deine Diskretion und deinen Anstand«, flüsterte sie.
    Er

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