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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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wich etwas vor ihr zurück, wirbelte sie gleichzeitig herum und presste ihr dabei eine Hand auf den Rücken – Handfläche auf kühlem Satin, Finger auf warmer Haut. Ihre Füße folgten den seinen ohne ein Zögern, ohne einmal zu straucheln; sie bewegten sich in vollkommener Anmut, ohne Angst vor seinen großen, gestiefelten Lehmstampfern, obwohl sie nur in hauchzarte Seidenslippern steckten.
    »Ich kann diskret sein, Sai«, sagte er. »Was Anstand betrifft? Ich bin überrascht, dass du das Wort überhaupt kennst.«
    Sie sah in sein kaltes Gesicht, und ihr Lächeln erlosch. Er sah Zorn an dessen Stelle treten, aber zuvor Qual, so als hätte er sie geschlagen. Er war erfreut und traurig zugleich.
    »Warum sprichst du so?«, flüsterte sie.
    Die Musik verstummte, bevor er antworten konnte… aber er hatte keine Ahnung, was er geantwortet hätte. Sie machte einen Hofknicks, er eine Verbeugung, während die Umstehenden klatschten und pfiffen. Sie gingen zu ihren Plätzen zurück, zu ihren verschiedenen Kreisen, und die Gitarren setzten wieder ein. Roland spürte, wie seine Hände von beiden Seiten ergriffen wurden, und tanzte wieder im Kreis.
    Er lachte. Tanzte. Klatschte im Takt. Spürte sie irgendwo hinter sich, wie sie dasselbe tat. Fragte sich, ob sie sich so sehnlich wie er wünschte, hier rauszukommen, draußen in der Dunkelheit zu sein, allein in der Dunkelheit zu sein, wo er sein falsches Gesicht abstreifen konnte, bevor das wahre darunter so heiß wurde, dass es jenes in Flammen setzte.

Kapitel 6
    S HEEMIE
     
    1
     
    Gegen zehn Uhr entbot das Trio der jungen Männer aus den Inneren Baronien sowohl Gastgeber als auch Gastgeberin seine Empfehlungen zum Abschied und ging hinaus in die duftende Sommernacht. Cordelia Delgado, die neben Henry Wertner stand, dem Oberviehzüchter der Baronie, machte die Bemerkung, dass sie müde sein müssten. Wertner lachte darüber und antwortete mit einem derart starken Akzent, dass es fast komisch wirkte: »Nay, Ma’am, Jongs in dem Aller sin wie Rattn, die ’n Holzstoß nach’m Platschregen dorchwühln, das sindse. Wird Stunden dauern, bis sie draußn auf der Bar K auf die Pritschn falln.«
    Olive Thorin verließ die öffentlichen Räume kurz nach den Jungen und machte Kopfschmerzen geltend. Sie war so blass, dass man sie ihr fast abnahm.
    Um elf unterhielten sich der Bürgermeister, sein Kanzler und das Oberhaupt der neu ernannten Leibgarde im Arbeitszimmer des Bürgermeisters mit den wenigen verbliebenen Gästen (allesamt Rancher, alle Mitglieder des Pferdezüchterverbands). Das Gespräch war kurz, aber eindringlich. Mehrere der anwesenden Rancher brachten ihre Erleichterung darüber zum Ausdruck, dass die Sendboten des Bundes so jung waren. Eldred Jonas sagte nichts dazu, sondern sah nur auf seine blassen Hände mit den langen Fingern hinab und lächelte sein dünnes Lächeln.
    Um Mitternacht war Susan zu Hause und entkleidete sich, um zu Bett zu gehen. Wenigstens um den Saphir musste sie sich keine Gedanken machen; es handelte sich um einen Edelstein der Baronie und war vor ihrem Weggehen wieder im Tresor im Haus des Bürgermeisters verwahrt worden, was auch Mr. Sind-wir-nicht-edel Will Dearborn davon und von ihr halten mochte. Bürgermeister Thorin (sie brachte es nicht über sich, ihn Hart zu nennen, obwohl er sie darum gebeten hatte – nicht einmal in Gedanken konnte sie es) hatte ihn ihr persönlich abgenommen. Im Flur gleich neben dem Empfangssaal war das gewesen, vor dem Gobelin, der Arthur Eld zeigte, wie dieser sein Schwert aus der Pyramide trug, in der es eingemauert gewesen war. Und er (Thorin, nicht der Eld) hatte die Gelegenheit genutzt, ihren Mund zu küssen und hastig über ihre Brüste zu streichen – ein Teil von ihr, der ihr den ganzen endlosen Abend lang viel zu nackt vorgekommen war. »Ich brenne darauf, dass der Erntetag kommt«, hatte er ihr melodramatisch ins Ohr geflüstert. Sein Atem hatte nach Branntwein gerochen. »Jeder Tag dieses Sommers kommt mir wie eine Ewigkeit vor.«
    Jetzt, in ihrem Zimmer, wo sie sich das Haar mit heftigen, schnellen Strichen bürstete und den abnehmenden Mond betrachtete, glaubte sie, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie so wütend gewesen war: wütend auf Thorin, wütend auf Tante Cord, außer sich vor Wut auf diesen selbstgerechten, eingebildeten Fant von einem Will Dearborn. Aber am meisten war sie wütend auf sich selbst.
    »Es gibt drei Möglichkeiten, was du in jeder gegebenen Situation tun kannst,

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