Der Dunkle Turm 4 - Glas
schwitzender Männer – überwiegend Kuhhirten – am Satansbahn genannten Würfeltisch und sahen zu, wie die Würfel über den Filzbelag rollten. Am anderen Ende des Raums hämmerte Sheb McCurdy einen zackigen Boogie ins Klavier, ließ die rechte Hand fliegen und walkte mit der linken die Begleitung, während ihm Schweiß über den Hals und die blassen Wangen lief. An seiner Seite, über ihm, stand Pettie das Trampel betrunken auf einem Hocker, ließ ihre enorme Kehrseite kreisen und plärrte den Text des Songs aus vollem Hals: »Come on over, baby, we got chicken in the barn, what barn, whose barn, my barn! Come on over, baby, baby got the bull by the horns…«
Sheemie blieb neben dem Klavier stehen, hielt den Kameleimer in einer Hand, grinste zu ihr hinauf und versuchte, mitzusingen. Pettie tätschelte ihn, ohne eine Textzeile, einen Hüftschwung oder einen Schritt zu verpassen, und Sheemie trollte sich bald mit einem eigentümlichen Lachen – lauthals, aber irgendwie nicht unangenehm.
Eine Partie Wurfpfeile wurde gespielt; in einer Nische ziemlich hinten gelang es einer Hure, die sich selbst Gräfin Jillian von Up’ard Killian nannte (verbanntes Mitglied der Königlichen Familie des fernen Garlan, meine Lieben, oh, wie sind wir was Besonderes), zwei Freiern gleichzeitig einen runterzuholen und dazu noch Pfeife zu rauchen. Und an der Bar tranken eine ganze Schar der unterschiedlichsten Schläger, Gammler, Kuhhirten, Viehtreiber, Kutscher, Fuhrleute, Stellmacher, Wichtigtuer, Zimmerleute, Hochstapler, Fischer und Revolverhelden unter dem zweifachen Kopf des Wildfangs.
Die beiden einzigen echten Revolverhelden im Saloon saßen am Ende des Tresens und tranken für sich allein. Niemand machte Anstalten, sich zu ihnen zu gesellen, aber nicht nur, weil sie Schießeisen in ihren Holstern stecken hatten, die sie nach Art von Revolvermännern tief am Oberschenkel festgebunden trugen. Revolver waren in jener Zeit zwar ungewöhnlich, aber nicht unbekannt in Mejis und wurden nicht unbedingt gefürchtet, aber diese beiden hatten das mürrische Aussehen von Männern, die einen langen Tag damit verbracht hatten, eine Arbeit zu erledigen, die sie nicht gern taten – das Aussehen von Männern, die grundlos einen Streit anfangen und mit Vergnügen den Mann einer frisch gebackenen Witwe im Leichenwagen nach Hause schicken würden.
Stanley, der Barkeeper, servierte ihnen einen Whiskey nach dem anderen, ohne den Versuch zu machen, ein Gespräch in Gang zu bringen, nicht einmal ein: »War ’n heißer Tag Leute, Gents, was?« Sie rochen nach Schweiß, ihre Hände waren klebrig von Kiefernharz. Allerdings nicht so sehr, dass Stanley nicht die blauen Särge sehen konnte, die sie sich darauf tätowiert hatten. Wenigstens war ihr Freund, der alte hinkende Geier mit dem Frauenhaar und dem Klumpfuß, nicht hier. Für Stanley war Jonas der Schlimmste der Großen Sargjäger, obwohl diese beiden hier auch schon schlimm genug waren, und er hatte nicht die Absicht, ihnen in die Quere zu kommen, solange es sich vermeiden ließ. Mit etwas Glück würde das keinem passieren; sie sahen so müde aus, dass sie wahrscheinlich beizeiten das Handtuch werfen würden.
Reynolds und Depape waren müde, das stimmte – sie hatten den ganzen Tag draußen auf dem Citgo-Gelände verbracht und eine Reihe leerer Edelstahltankwagen, deren Seiten mit sinnlosen Wörtern ( TEXACO , CITGO , SUNOCO , EXXON ) beschriftet waren, getarnt und zu diesem Zweck, so kam es ihm vor, eine Milliarde Kiefernzweige geschleppt und aufgestapelt –, aber sie hatten nicht wirklich die Absicht, beizeiten mit dem Trinken aufzuhören. Depape hätte es vielleicht getan, wenn Ihre Hochtrabendheit zur Verfügung gestanden hätte, aber diese junge Schönheit (richtiger Name: Gert Moggins) hatte einen Job auf einer Ranch und würde erst übermorgen wieder hier sein. »Und es könnte eine Woche sein, wenn die Bezahlung stimmt«, sagte Depape verdrossen. Er schob seine Brille auf der Nase hinauf.
»Fick sie«, sagte Reynolds.
»Genau das würde ich, wenn ich könnte, aber ich kann nicht.«
»Ich hol mir einen Teller von dem kostenlosen Essen«, sagte Reynolds und zeigte zum anderen Ende des Tresens, wo gerade ein Blecheimer mit dampfenden Muscheln aus der Küche aufgetragen worden war. »Möchtest du auch welche?«
»Die Dinger sehen aus wie Rotzklumpen und fühlen sich beim Schlucken auch so an. Bring mir einen Streifen Dörrfleisch.«
»Alles klar, Partner.« Reynolds ging am
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