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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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auf ihren Händen zum ersten Mal gesehen hatte; und heute Nacht musste er denselben Eindruck haben, was Dearborn, Stockworth und Heath betraf. Er konnte nur hoffen, dass alle einsahen, wo ihre Hauptinteressen lagen. Roland sah es ein. Jonas offenbar auch, weil er sich jetzt nämlich gleichzeitig mit Roland erhob.
    Avery lehnte sich etwas zurück, so als würde er damit rechnen, dass Jonas nach seinem Revolver und Dearborn nach dem Messer im Gürtel greifen würde – dem Messer, das er Jonas auch an den Rücken gehalten hatte, als Avery in den Saloon geschnauft gekommen war.
    Aber es wurde weder ein Revolver noch ein Messer gezogen. Jonas drehte sich zu Roland um und streckte die Hand aus.
    »Er hat Recht, Kamerad«, sagte Jonas mit seiner quäkenden, bebenden Stimme.
    »Ja.«
    »Wirst du einem alten Mann die Hand schütteln und geloben, noch einmal von vorn anzufangen?«
    »Ja.« Roland streckte die Hand aus.
    Jonas nahm sie. »Ich erflehe deine Verzeihung.«
    »Ich erflehe die Ihre, Mr. Jonas.« Roland klopfte sich mit der linken Hand gegen die Kehle, wie es angemessen war, wenn man einen Älteren auf diese Weise ansprach.
    Als die beiden sich setzten, standen Alain und Reynolds auf, als hätten sie es einstudiert. Als Letzte erhoben sich Cuthbert und Depape. Roland war davon überzeugt, dass gleich Cuthberts Albernheit hervorgeschnellt kommen würde wie ein Springteufelchen – der Idiot würde einfach nicht anders können, obwohl ihm klar sein musste, dass Depape kein Mann war, der die heutige Nacht vergeben und vergessen würde.
    »Erflehe Ihre Verzeihung«, sagte Bert mit einem bewundernswerten Mangel an unterdrücktem Gelächter in der Stimme.
    »Erflehe die deine«, murmelte Depape und streckte die blutende Hand aus. Roland sah in einer albtraumhaften Vision, wie Bert sie drückte, so fest er konnte, damit der Rothaarige wie eine Eule auf der heißen Herdplatte aufschrie, aber Berts Händedruck war so zurückhaltend wie seine Stimme.
    Avery saß am Bühnenrand, ließ die plumpen Beine baumeln und verfolgte alles mit onkelhafter Heiterkeit. Sogar Hilfssheriff Dave lächelte.
    »Ich schätze, jetzt werde auch ich allen Anwesenden die Hand schütteln und euch dann eurer Wege schicken, ist es doch schon spät, das ist es, und jemand wie ich braucht seinen Schönheitsschlaf.« Er kicherte, sah aber wieder unbehaglich drein, weil niemand darin einstimmte. Er ließ sich von der Bühne gleiten und schüttelte allen die Hand, was er mit der Inbrunst eines Pfarrers tat, dem es endlich gelungen war, ein störrisches Paar nach einer langen und stürmischen Werbung zu verheiraten.
     
     
    9
     
    Als sie nach draußen kamen, war der Mond bereits untergegangen und über dem Reinen Meer der erste Silberstreif des Tageslichts zu erkennen.
    »Möglich, dass wir uns wiedersehen, Sai«, sagte Jonas.
    »Möglich, dass wir das tun«, sagte Roland und schwang sich in den Sattel.
     
     
    10
     
    Die Großen Sargjäger bewohnten das Haus des Nachtwächters etwa eine Meile südlich von Seafront – das war fünf Meilen außerhalb der Stadt.
    Auf halbem Weg dorthin hielt Jonas an einer Biegung der Straße an. Von hier aus fiel das Land steil und steinig zum gegenwärtig heller werdenden Meer hin ab.
    »Absteigen, Mister«, sagte er. Es war Depape, den er dabei ansah.
    »Jonas… Jonas… ich…«
    »Absteigen.«
    Depape biss sich nervös auf die Lippen und stieg ab.
    »Nimm die Brille ab.«
    »Jonas, was soll das? Ich verstehe nicht…«
    »Wenn du willst, dass sie kaputtgeht, dann lass sie auf. Mir ist das egal.«
    Depape biss sich noch fester auf die Lippen und nahm die Nickelbrille ab. Er hielt sie kaum in der Hand, da versetzte ihm Jonas eine schallende Ohrfeige. Depape schrie auf und taumelte dem Abgrund entgegen. Jonas zuckte so schnell vor, wie er zugeschlagen hatte, und packte Depape am Hemd, bevor dieser hinunterstürzen konnte. Jonas krallte die Hände in den Stoff und zog Depape zu sich. Er atmete tief ein und inhalierte den Geruch von Kiefernharz und Depapes Schweiß.
    »Ich sollte dich einfach den Abgrund hinunterstoßen«, hauchte er. »Ist dir klar, wie viel Schaden du angerichtet hast?«
    »Ich… Jonas, ich wollte doch nicht… nur ein bisschen Spaß, mehr wollte ich… woher hätten wir wissen sollen, dass sie…«
    Langsam lockerte Jonas den Griff. Das letzte Geplapper war versiegt. Woher konnten wir wissen sollen, das war zwar grammatikalisch nicht ganz astrein, aber es traf zu. Und wenn das heute Abend nicht

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