Der Dunkle Turm 4 - Glas
hinweg.
»Er sagt, dass er zu müde zum Reden ist«, sagte Cuthbert und gähnte. »Ich im Übrigen auch.« Er sah Roland an. »Ich konnte Mr. Jonas genau in die Augen sehen, nachdem er dir die Hand geschüttelt hatte, Will. Er will dich töten.«
Roland nickte.
»Sie wollen uns alle töten«, sagte Alain.
Wieder nickte Roland. »Wir werden es ihnen nicht leicht machen, aber sie wissen jetzt immerhin mehr über uns als noch beim Abendessen. Auf diese Weise werden wir sie nicht noch einmal übertölpeln können.«
Er hielt an, genau wie Jonas keine drei Meilen von der Stelle entfernt angehalten hatte, wo sie sich jetzt befanden. Aber statt auf das Reine Meer hinausschauen zu können, sahen Roland und seine Freunde den langen Hang der Schräge hinab. Eine Pferdeherde zog von Westen nach Osten, bei diesem Licht kaum mehr als Schatten.
»Was siehst du, Roland?«, fragte Alain fast zaghaft.
»Ärger«, sagte Roland, »und das mitten in unserem Weg.« Dann trieb er sein Pferd an und ritt weiter. Sie hatten das Schlafhaus der Bar K noch nicht erreicht, da musste er schon wieder an Susan denken. Fünf Minuten nachdem er auf sein flaches Sackleinenkissen gesunken war, träumte er von ihr.
Kapitel 7
A UF DER S CHRÄGE
1
Drei Wochen waren seit dem Willkommensessen im Haus des Bürgermeisters und dem Zwischenfall im Traveller’s Rest vergangen. Es war zu keinerlei Schwierigkeiten mehr zwischen Rolands Ka-Tet und dem von Jonas gekommen. Am Nachthimmel hatte der Kussmond abgenommen und der Hausierermond seinen ersten schmalen Auftritt gehabt. Die Tage waren hell und warm. Selbst die alten Leute gestanden ein, dass es einer der schönsten Sommer war, an die sie sich erinnern konnten.
An einem Vormittag, der so schön wie jeder andere in diesem Sommer war, galoppierte Susan Delgado mit einem zweijährigen rosillo namens Pylon an der Schräge entlang nach Norden. Der Wind trocknete die Tränen auf ihren Wangen und ließ ihr offenes Haar hinter ihr wehen. Sie drängte Pylon, noch schneller zu laufen, indem sie ihm sanft die Absätze – ohne Sporen – in die Seiten drückte. Pylon erhöhte unverzüglich das Tempo, legte die Ohren an und peitschte mit dem Schwanz. Susan, die Jeans und das ausgebleichte, zu große Khakihemd trug (eines von ihrem Da’), welches den ganzen Ärger verursacht hatte, beugte sich über den leichten Trainingssattel, hielt sich mit einer Hand am Knauf fest und strich mit der anderen über den kräftigen, seidenweichen Hals des Pferdes. »Mehr!«, flüsterte sie. »Mehr und schneller! Los doch, Junge!« Pylon legte noch einen Zahn zu. Dass er noch einen draufhatte, wusste sie; dass er darüber hinaus zu noch einem fähig war, vermutete sie.
Sie flogen über den höchsten Kamm der Schräge, aber sie sah den atemberaubenden, ganz goldenen und grünen Hang unter sich kaum, auch nicht, wie er mit dem blauen Dunst des Reinen Meeres verschmolz. An jedem anderen Tag hätten der Anblick und die kühle, salzige Brise sie aufgemuntert. Heute wollte sie nur das gleichmäßige tiefe Donnern von Pylons Hufen hören und spüren, wie er unter ihr die Muskeln spannte; heute wollte sie ihren Gedanken entfliehen.
Und das alles nur, weil sie heute Morgen zum Reiten mit einem der alten Hemden ihres Vaters bekleidet nach unten gekommen war.
2
Tante Cord hatte im Morgenmantel am Herd gestanden und noch ihr Haarnetz getragen. Sie füllte sich eine Schüssel mit Haferflocken und ging damit zum Tisch. Susan hatte in dem Moment gewusst, dass die Dinge nicht gut standen, als ihre Tante sich mit der Schüssel in der Hand zu ihr umdrehte; sie konnte das unzufriedene Zucken von Tante Cords Lippen und den missbilligenden Blick sehen, mit dem sie die Orange bedachte, die Susan sich gerade schälte. Ihre Tante war immer noch verstimmt wegen der Silber- und Goldstücke, die sie inzwischen bereits in Händen hatte halten wollen, Münzen, die ihr aufgrund der aberwitzigen Anordnung der Hexe, dass Susan bis Herbst Jungfrau bleiben solle, noch vorenthalten wurden.
Aber das war nicht die Hauptsache, und Susan wusste es. Ganz einfach ausgedrückt, die beiden hatten genug voneinander. Das Geld war nur eine von Tante Cords enttäuschten Erwartungen; sie hatte sich darauf verlassen, das Haus am Rand der Schräge noch in diesem Sommer für sich allein zu haben… abgesehen vielleicht von gelegentlichen Besuchen Mr. Eldred Jonas’, von dem Cordelia irgendwie recht angetan war. Stattdessen saßen sie immer noch hier
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