Der Dunkle Turm 4 - Glas
ich anderes getan, als zu versprechen, mich von ihm ficken zu lassen, während die Frau, mit der er seit vierzig Jahren verheiratet ist, wenige Zimmer entfernt schläft?«
»Also will Sie das Geld?«, fragte Tante Cord und lächelte wütend. »Wirklich und wahrhaftig und aye? Dann soll Sie es haben. Nehme Sie’s, behalte Sie’s, verliere Sie’s, verfüttere Sie’s den Schweinen, mir ist es gleich!«
Sie drehte sich zu ihrer Handtasche um, die an einem Pfosten beim Herd hing. Sie kramte darin herum, aber ihre Bewegungen verloren bald ihre Schnelligkeit und Überzeugungskraft. Links der Küchentür war ein ovaler Spiegel angebracht, und darin konnte Susan das Gesicht ihrer Tante sehen. Was sie da sah – eine Mischung aus Hass, Missfallen und Habgier –, deprimierte sie zutiefst.
»Vergesse Sie es, Tante. Ich sehe, wie ungern Sie es hergeben will, und ich will es sowieso nicht haben. Es ist Hurengeld.«
Tante Cord drehte sich mit entsetztem Gesicht zu ihr um; die Handtasche war passenderweise bereits vergessen. »Das ist kein Huren, du dummes Ding! Einige der größten Frauen der Geschichte waren Feinsliebchen, und einige der größten Männer wurden von Feinsliebchen geboren. Das ist kein Huren!«
Susan riss die rote Seidenbluse von ihrem Bügel und hielt sie hoch. Das Hemd schmiegte sich an ihre Brüste, als hätte es sich die ganze Zeit danach gesehnt, sie zu berühren. »Und warum schickt er mir dann diese Hurenkleider?«
»Susan!« Tränen standen in Tante Cords Augen.
Susan warf ihr die Bluse genau wie die Orangenschnitze entgegen. Die Bluse landete zu Cords Füßen. »Heb sie auf, und zieh sie selbst an, wenn du magst. Und mach du doch die Beine für ihn breit, wenn du magst!«
Sie drehte sich um und stürzte zur Tür hinaus. Der halb hysterische Schrei ihrer Tante war ihr gefolgt: »Gehe Sie nicht hinaus und komme auf dumme Gedanken, Susan! Auf dumme Gedanken folgen dumme Taten, und für beides ist es zu spät! Sie hat eingewilligt!«
Das wusste sie. Und so schnell sie mit Pylon auch auf der Schräge reiten mochte, sie konnte diesem Wissen nicht entkommen. Sie hatte zugestimmt, und so entsetzt Pat Delgado auch über die Klemme hätte sein mögen, in die sie sich selbst gebracht hatte, eines wäre ihm sonnenklar gewesen – sie hatte ein Versprechen gegeben, und Versprechen mussten eingehalten werden. Wer sein Versprechen nicht einhielt, auf den wartete die Hölle.
3
Sie ließ den rosillo langsamer galoppieren, solange er noch genügend Luft hatte. Sie drehte sich um, stellte fest, dass sie fast eine Meile zurückgelegt hatte, und nahm ihn noch mehr zurück – zu einem Kanter, einem Trab, einem schnellen Schritt. Sie holte tief Luft und stieß sie wieder aus. Zum ersten Mal an diesem Morgen registrierte sie die strahlende Schönheit des Tages – Möwen kreisten in der dunstigen Luft im Westen, ringsum wuchs hohes Gras, in jeder schattigen Nische blühten Blumen: Kornblumen und Lupinen und Flammenblumen und ihre Lieblinge, die zierlichen blauen Samtblumen. Allerorten war das emsige Summen von Bienen zu hören. Das Geräusch beruhigte sie, und als ihre Gefühlsaufwallungen ein wenig nachgelassen hatten, konnte sie sich etwas eingestehen – es sich eingestehen und dann laut aussprechen.
»Will Dearborn«, sagte sie und erschauerte, als sie seinen Namen auf den Lippen spürte, obwohl niemand ihn hören konnte, abgesehen von Pylon und den Bienen. Also sprach sie ihn noch einmal aus, und als die Worte heraus waren, drehte sie unvermittelt das Handgelenk mit der Innenseite zum Mund und küsste es da, wo das Blut dicht unter der Haut pulsierte. Die Tat entsetzte sie, weil sie nicht gewusst hatte, dass sie so handeln würde, und entsetzte sie umso mehr, als der Geschmack ihrer Haut und ihres Schweißes sie sofort erregte. Sie verspürte den Drang, sich wieder auf die Weise abzukühlen, wie sie es nach ihrer ersten Begegnung im Bett getan hatte. So, wie sie sich fühlte, würde sie dafür nicht lange brauchen.
Stattdessen knurrte sie den Lieblingsfluch ihres Vaters – »ach, beiß drauf!« – und spuckte an ihrem Stiefel vorbei. Will Dearborn war verantwortlich für zu viel Aufregung in ihrem Leben in den vergangenen drei Wochen; Will Dearborn mit seinen beunruhigenden blauen Augen, seinem dunklen Haarschopf und seinem steifen Sittenrichtergebaren. Ich kann diskret sein, Sai. Was Anstand betrifft? Ich bin überrascht, dass du das Wort überhaupt kennst.
Jedes Mal, wenn sie daran dachte,
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