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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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sah den Strauß und stürzte sich mit erhobener Schere darauf. Als sie neben ihrer Nichte stand, schob sie die Schere in eine Schlaufe ihres Gürtels (fast widerwillig, wollte es der Nichte scheinen) und teilte den Schleier vor ihrem Gesicht. »Wer hat die geschickt?«
    »Ich weiß nicht, Tante«, sagte Susan weitaus ruhiger, als sie sich fühlte. »Das ist der junge Mann aus der Schänke…«
    »Schänke!«, schnaubte Tante Cord.
    »Er scheint nicht zu wissen, wer ihn geschickt hat«, fuhr Susan fort. Wenn sie ihn nur von hier wegbringen könnte! »Er ist, nun, du würdest wahrscheinlich sagen, er ist…«
    »Er ist ein Narr, aye, das weiß ich.« Tante Cord warf Susan einen kurzen, gereizten Blick zu, dann widmete sie Sheemie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie stützte beim Reden die behandschuhten Hände auf die Knie und schrie ihm offen ins Gesicht, als sie fragte: »WER… HAT… DIESE… BLUMEN… GESCHICKT… JUNGER… MANN?«
    Die Flügel ihres Gesichtsschleiers, die sie zur Seite gestreift hatte, fielen wieder nach vorn. Sheemie wich einen weiteren Schritt zurück. Er sah verängstigt aus.
    »WAR ES… MÖGLICHERWEISE… JEMAND AUS… SEAFRONT?… VON… BÜRGERMEISTER… THORIN?… SAG ES… MIR… UND… ICH… GEBE… DIR… EINEN PENNY.«
    Susan verließ der Mut, ganz bestimmt würde er es sagen – er hatte nicht Verstand genug, um zu begreifen, dass er sie in Schwierigkeiten bringen würde. Und Will wahrscheinlich auch.
    Aber Sheemie schüttelte nur den Kopf. »Kann mich nicht erinnern. Hab ein leeren Kopf, Sai, das hab ich. Stanley sagt, is ’n Spatzenhirn.«
    Sein Grinsen kam wieder zum Vorschein, eine strahlende Angelegenheit mit weißen, ebenmäßigen Zähnen. Tante Cord beantwortete es mit einer Grimasse. »O pfui! Dann geh fort. Und zwar geradewegs in die Stadt zurück – häng nicht hier herum und mach dir Hoffnungen. Ein Junge, der sich nicht erinnern kann, hat keinen Penny verdient! Und komm nicht wieder hierher, wer immer dir auch Blumen für die junge Sai mitgibt. Hast du verstanden?«
    Sheemie hatte nachdrücklich genickt. Und dann sagte er: »Sai?«
    Tante Cord sah ihn finster an. An jenem Tag war die senkrechte Linie auf ihrer Stirn überdeutlich zu sehen gewesen.
    »Warum so ganz in Spinnwebchen gehüllt, Sai?«
    »Verschwinde von hier, du frecher Kerl!«, schrie Tante Cord. Sie hatte eine ordentlich laute Stimme, wenn sie wollte, und Sheemie machte erschrocken einen Satz zurück. Als Tante Cord sich dann sicher war, dass er die Hauptstraße in Richtung Stadt zurückschlurfte und nicht die Absicht hatte, zu ihrem Tor zurückzukommen, um in der Hoffnung auf ein Trinkgeld herumzuhängen, hatte sie sich zu Susan umgedreht.
    »Stell sie ins Wasser, bevor sie welken, Miss O So Jung Und Hübsch, und träum nicht und frag dich nicht, wer dein heimlicher Verehrer sein könnte.«
    Dann hatte Tante Cord gelächelt. Ein richtiges Lächeln. Was Susan am meisten wehtat, sie am meisten verwirrte, war die Tatsache, dass ihre Tante kein Scheusal aus einem Kindermärchen war, keine Hexe wie diese Rhea vom Cöos. Sie war kein Ungeheuer, nur eine alte Jungfer mit bescheidenen gesellschaftlichen Ambitionen, einer Liebe zu Gold und Silber und der Angst davor, mittellos in die Welt geschickt zu werden.
    »Für Leute wie uns, Susie-Schätzchen«, sagte sie mit einer schrecklich getragenen Freundlichkeit, »ist’s am besten, wenn wir uns an unsere Hausarbeit halten und Träume denen überlassen, die sie sich leisten können.«
     
     
    5
     
    Sie war sich sicher gewesen, dass die Blumen von Will waren, und lag damit auch richtig. Seine Nachricht war in einer klaren und einigermaßen schönen Handschrift geschrieben.
     
    Liebe Susan Delgado,
    ich habe in jener Nacht neulich unbedacht gesprochen und erflehe deine Verzeihung. Kann ich dich sehen und mit dir sprechen? Es muss unter vier Augen geschehen. In einer Sache von großer Bedeutung. Wenn du mich sehen willst, gib dem Jungen, der dir dies bringt, eine Nachricht. Er ist zuverlässig.
     
    Will Dearborn
     
    Eine Sache von großer Bedeutung. Unterstrichen. Sie verspürte den ausgeprägten Wunsch, zu erfahren, was so wichtig für ihn war, ermahnte sich aber, keine Dummheiten zu machen. Vielleicht war er vernarrt in sie… und wenn ja, wessen Schuld war das? Wer hatte mit ihm gesprochen, war auf seinem Pferd geritten, hatte ihm bei dem spektakulären Abstieg vom Pferd, die reinste Zirkusnummer, die Beine gezeigt? Wer hatte ihm die Hände auf die Schultern

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