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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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wissen, was die Ochsen gezogen hatten, und konnte sehen, dass Will es auch wusste.
    Die Spuren verliefen in zwei Bogen vom Ende des Rohrs. Susan und »Will Dearborn« folgten der rechten. Sie war nicht überrascht, Räderspuren zwischen denen der Ochsen zu sehen. Die Spuren waren nicht sehr tief – im Großen und Ganzen war es ein trockener Sommer gewesen, der Boden fast so hart wie Beton –, aber sie waren da. Und dass man sie immer noch erkennen konnte, bedeutete, dass ein ziemliches Gewicht transportiert worden war. Aye, natürlich, wozu sonst wären denn Ochsen notwendig gewesen?
    »Schau«, sagte Will, als sie sich dem Waldrand am Fuß des Hangs näherten. Endlich erkannte auch sie, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, aber sie musste dazu auf Hände und Knie gehen – wie scharf seine Augen doch waren! Fast übernatürlich. Da waren Stiefelabdrücke. Nicht mehr ganz frisch, aber eindeutig viel jüngeren Datums als die Spuren der Ochsen und Räder.
    »Das war derjenige mit dem Mantel«, sagte er und deutete auf deutlich sichtbare Fußspuren. »Reynolds.«
    »Will! Das kannst du nicht wissen!«
    Er sah überrascht drein, dann lachte er. »Aber sicher kann ich das. Er dreht beim Gehen einen Fuß leicht nach innen – den linken Fuß. Und das sieht man hier.« Er ließ den Finger über den Spuren kreisen und lachte wieder über den Blick, mit dem sie ihn ansah. »Das ist keine Zauberei, Susan, Tochter des Patrick; nur die Kunst des Spurenlesens.«
    »Wie kommt es, dass du so jung schon so viel weißt?«, sagte sie. »Wer bist du, Will?«
    Er stand auf und sah ihr in die Augen. Tief hinab musste er nicht sehen; sie war recht hoch gewachsen für ein Mädchen. »Mein Name ist nicht Will, sondern Roland«, sagte er. »Und damit habe ich mein Leben in deine Hände gelegt. Das stört mich zwar nicht, aber womöglich habe ich damit auch dein Leben in Gefahr gebracht. Du musst das Geheimnis um jeden Preis wahren.«
    »Roland«, sagte sie staunend. Ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen.
    »Aye. Welcher gefällt dir besser?«
    »Dein richtiger«, sagte sie sofort. »Das ist ein edler Name, das ist er.«
    Er grinste erleichtert, und es war das Grinsen, mit dem er wieder jung aussah.
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte die Lippen auf seine. Der Kuss, der anfangs züchtig und mit geschlossenem Mund gegeben wurde, erblühte wie eine Blume: wurde offen und lang und feucht. Sie spürte, wie seine Zunge ihre Unterlippe berührte, und folgte ihr, anfangs zaghaft, mit der eigenen. Er legte ihr die Hände auf den Rücken, dann ließ er sie nach vorn gleiten. Er berührte ihre Brüste, anfangs ebenfalls schüchtern, doch dann strich er mit den Handflächen daran hinauf bis zu den Brustwarzen. Er stieß einen leisen stöhnenden Seufzer in ihren Mund aus. Und als er sie näher an sich zog und seine Lippen allmählich ihren Hals hinunterwanderten, spürte sie seine steinerne Härte gleich unterhalb der Schnalle seines Gürtels, ein schlankes, warmes Stück, das genau dem schmelzenden Gefühl entsprach, das sie an derselben Stelle verspürte; diese beiden Stellen waren füreinander bestimmt, so wie sie für ihn und er für sie. Es war doch Ka – Ka wie der Wind, und sie würde sich bereitwillig von ihm fortreißen und ihre Ehre und ihr Versprechen hinter sich lassen.
    Sie machte den Mund auf, um es ihm zu sagen, aber dann überkam sie ein seltsames, jedoch völlig überzeugendes Gefühl: Sie wurden beobachtet. Es war lächerlich, aber es war da; ihr war sogar, als wüsste sie genau, wer sie beobachtete. Sie rückte von Roland ab und wippte mit den Absätzen unruhig auf den halb erodierten Ochsenspuren. »Verschwinde Sie, alte Hexe«, hauchte sie. »Wenn Sie uns irgendwie nachspioniert, ich weiß nicht, wie, dann mache Sie, dass Sie verschwindet!«
     
     
    15
     
    Auf dem Gipfel des Cöos zuckte Rhea von der Glaskugel zurück und stieß mit einer so leisen und zischenden Stimme Verwünschungen aus, dass sie sich anhörte wie ihre Schlange. Sie wusste nicht, was Susan gesagt hatte – das Glas übertrug keine Töne, sondern nur Bilder –, aber sie wusste, dass das Mädchen sie gespürt hatte. In diesem Augenblick war das Bild erloschen. Die Glaskugel hatte gleißend rosa aufgeleuchtet und war dunkel geworden, und nichts, was sie damit anstellte, konnte die Kugel dazu bewegen, wieder zu erstrahlen.
    »Aye, fein, so sei es«, sagte sie schließlich und gab auf. Sie erinnerte sich an das freche, schamhafte Mädchen

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