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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Blicke an, deren nur Teenager fähig waren. Schließlich wandten sie sich wieder ab und gingen Hand in Hand weiter.
    Sie konnte nicht sagen, was ihr mehr Angst machte – die wenigen Fördertürme, die noch pumpten, oder diejenigen, die ausgefallen waren. Eines wusste sie aber mit Sicherheit, dass nämlich keine Macht der Welt sie an diesen Ort gebracht hätte, ohne einen Freund in der Nähe zu haben. Die Pumpen heulten; ab und zu schrie ein Zylinder wie jemand, der abgestochen wurde; in regelmäßigen Abständen loderte »die Fackel« mit einem Geräusch wie der Atem eines Drachen empor und warf lange Schatten vor die beiden. Susan hielt die Ohren gespitzt, um den gellenden Zwei-Ton-Pfiff der Nachtschwalbe nicht zu verpassen, hörte aber nichts.
    Sie kamen zu einem breiten Weg – einst zweifellos eine Zufahrtsstraße für die Wartung –, der das Ölfeld in zwei Teile teilte. In der Mitte verlief ein Stahlrohr mit verrosteten Nahtstellen. Es lag in einem tiefen Betongraben, sodass nur die rostige obere Hälfte über dem Erdboden zu sehen war.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Das Rohr, mit dem das Öl zu jenem Gebäude befördert wurde, glaube ich. Es bedeutet nichts, es ist seit Jahren trocken.«
    Er ließ sich auf ein Knie nieder und schob die Hand behutsam in den Raum zwischen der Betonhülle und dem rostigen Rohr. Sie sah ihm unruhig zu und biss sich auf die Lippen, damit sie nichts sagte, was sich zweifellos kläglich oder weibisch anhören würde: Was ist, wenn es giftige Spinnen da unten in der vergessenen Dunkelheit gibt? Oder wenn er mit der Hand stecken blieb? Was würden sie dann machen?
    Die letztere Möglichkeit zumindest hatte nicht ernstlich bestanden, wie sie sah, als er die Hand wieder herauszog. Sie war verschmiert und schwarz von Öl.
    »Seit Jahren trocken?«, fragte er mit einem leichten Lächeln.
    Sie konnte nur verdutzt den Kopf schütteln.
     
     
    14
     
    Sie folgten der Leitung bis zu einer Stelle, wo ein halb verfallenes Tor die Straße versperrte. Das Rohr (selbst im schwachen Mondlicht konnte sie nun überall Öl aus den alten Nahtstellen sickern sehen) duckte sich unter dem Tor hindurch, und sie kletterten darüber. Sie fand, dass sich seine Hände zu intim für einen galanten Begleiter gaben, als er ihr dabei half, genoss aber jede Berührung. Wenn er nicht damit aufhört, wird mein Kopf noch wie »die Fackel« explodieren, dachte sie und lachte.
    »Susan?«
    »Es ist nichts, Will. Nur die Nerven.«
    Wieder tauschten sie einen dieser langen Blicke, als sie auf der anderen Seite des Tors standen, und dann gingen sie gemeinsam bergab. Dabei fiel Susan etwas Seltsames auf: Vielen der Kiefern waren die untersten Äste abgehackt worden. Die Spuren der Beile und das Harz konnte man im Mondlicht deutlich erkennen, und die Stellen sahen alle frisch aus. Sie wies Will darauf hin. Er nickte, sagte aber nichts.
    Am Fuß des Hügels erhob sich das Rohr aus dem Boden und verlief, von einer Reihe rostiger Stahlstützen gehalten, etwa siebzig Schritte auf das baufällige Gebäude zu, bevor es so unvermittelt und unebenmäßig aufhörte wie eine Kriegsamputation. Unter dieser Stelle befand sich eine flache Lache trocknenden, zähen Öls. Dass sie schon eine Weile da sein musste, konnte Susan an den zahlreichen Vogelkadavern erkennen, die darin verteilt lagen – sie waren heruntergeflogen, um die Pfütze zu untersuchen, kleben geblieben und mussten auf eine unangenehm langwierige Art gestorben sein.
    Sie betrachtete das Stillleben mit großen, verständnislosen Augen, bis Will gegen ihr Bein klopfte. Er war in die Hocke gegangen. Sie leistete ihm Knie an Knie Gesellschaft und folgte der Bewegung seines Fingers mit zunehmender Fassungslosigkeit und Verwirrung. Da waren Spuren. Sehr große. Nur eines konnte sie verursacht haben.
    »Ochsen«, sagte sie.
    »Aye. Und von dort sind sie gekommen.« Er zeigte auf die Stelle, wo das Rohr aufhörte. »Und gegangen sind sie…« Er drehte sich, nach wie vor in der Hocke, auf den Absätzen um und zeigte zu dem Hang, wo der Wald anfing. Jetzt, wo er sie mit der Nase darauf stieß, konnte sie sehen, was ihr als Tochter eines Pferdezüchters eigentlich sofort hätte auffallen müssen. Ein halbherziger Versuch war unternommen worden, die Spuren und den zertrampelten Boden zu verbergen, wo etwas Schweres gezogen oder gerollt worden war. Die Zeit hatte einen großen Teil des Schlamassels geglättet, aber die Spuren waren noch deutlich zu sehen. Sie glaubte sogar zu

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