Der Dunkle Turm 4 - Glas
(nur bei dem jungen Mann war sie nicht so schamhaft, was?), das hypnotisiert an der Tür der Hütte gestanden hatte, erinnerte sich, was sie dem Mädchen zu tun befohlen hatte, sobald es seine Jungfernschaft verloren hatte, und fing an zu grinsen. Wenn sie ihre Jungfernschaft an diesen umherziehenden Burschen verlor, statt an Hart Thorin, Lord Bürgermeister von Mejis, wäre die Komödie sogar noch viel größer, oder etwa nicht?
Rhea saß in ihrer schattigen, stinkenden Hütte und fing gackernd an zu lachen.
16
Roland sah Susan mit aufgerissenen Augen an, und als sie ihren Besuch bei Rhea etwas ausführlicher schilderte (die peinlichen abschließenden Untersuchungen der »Ehrbarkeitsprüfung« ließ sie unerwähnt), kühlte seine Leidenschaft so weit ab, dass er sich wieder im Griff hatte. Das hatte nichts damit zu tun, dass er die Stellung, die er und seine Freunde in Hambry innehielten, nicht gefährden wollte (redete er sich jedenfalls ein), sondern damit, dass er die von Susan nicht gefährdete – ihre Stellung war wichtig, ihre Ehre noch wichtiger.
»Ich glaube, das war deine Einbildung«, sagte er, als sie zu Ende erzählt hatte.
»Ich glaube kaum.« In einem kühlen Ton.
»Vielleicht gar dein Gewissen?«
Darauf senkte sie den Blick und schwieg.
»Susan, ich würde dir um nichts auf der Welt wehtun wollen.«
»Und du liebst mich?« Immer noch, ohne aufzuschauen.
»Aye, so ist es.«
»Dann ist es besser, wenn du mich nicht mehr berührst oder küsst – nicht heute Nacht. Ich könnte es nicht ertragen.«
Er nickte wortlos und hielt ihr die Hand hin. Sie nahm die Hand und ging mit ihm in die Richtung weiter, die sie eingeschlagen hatten, bevor sie auf so angenehme Weise abgelenkt worden waren.
Als sie noch zehn Schritte vom Waldrand entfernt waren, sahen sie beide das Glänzen von Metall, trotz des dichten Grüns davor – zu dicht, dachte sie. Viel zu dicht.
Natürlich handelte es sich um die Kiefernäste; die Äste, die von den Bäumen am Hang abgehackt worden waren. Man hatte sie benutzt, um die großen silbernen Behälter zu tarnen, die auf dem gepflasterten Platz fehlten. Die silbernen Vorratsbehälter waren – wahrscheinlich von den Ochsen – hierher geschleppt und dann von jemandem versteckt worden. Aber warum?
Roland inspizierte die lange Linie der ineinander verflochtenen Kiefernzweige, dann blieb er an einer Stelle stehen und zog dort mehrere beiseite. Auf diese Weise schuf er einen Durchgang und winkte ihr, dass sie hineinkriechen sollte. »Sei auf der Hut«, sagte er. »Ich bezweifle zwar, dass sie sich die Mühe gemacht haben, Fallen oder Stolperdrähte einzurichten, aber es ist immer besser, vorsichtig zu sein.«
Hinter dem Schutz der Äste waren die Tanks so ordentlich aufgereiht worden wie Spielzeugsoldaten beim abendlichen Aufräumen, und Susan sah sofort den Grund, weswegen sie versteckt worden waren: Man hatte sie wieder mit Rädern ausgestattet, handwerklich perfekten Rädern aus massivem Eichenholz, die Susan bis zur Brust reichten. Jedes war mit einem Eisenstreifen beschlagen. Die Räder waren neu, die Streifen ebenso, und die Naben waren handgemacht. Susan kannte nur einen Schmied in der Baronie, der eine so hervorragende Arbeit abliefern konnte: Brian Hookey, bei dem sie Felicias neue Hufeisen geholt hatte. Brian Hookey, der gelächelt und ihr auf die Schulter geklopft hatte wie ein compadre, als sie mit dem Beutel ihres Da’ an der Hüfte zu ihm gekommen war. Brian Hookey, der einer der besten Freunde von Pat Delgado gewesen war.
Sie erinnerte sich, wie sie sich umgesehen und gedacht hatte, dass die Zeiten es gut mit Sai Hookey gemeint hatten, und natürlich hatte sie Recht gehabt. Das Schmiedehandwerk hatte Hochkonjunktur gehabt. Hookey hatte eine Menge Räder und Eisenbänder angefertigt, und jemand musste ihn dafür bezahlt haben. Eldred Jonas war da die eine Möglichkeit; noch wahrscheinlicher erschien aber Kimba Rimer. Hart? Das wollte sie nicht glauben. Harts Verstand – das bisschen, was noch davon übrig war – beschäftigte sich in diesem Sommer mit anderen Dingen.
Hinter den Tanks verlief eine Art Trampelpfad. Roland schritt ihn langsam entlang, ging dabei wie ein Prediger mit auf dem Rücken verschränkten Händen und las die unverständlichen Worte, die auf den Seiten der Tanks geschrieben standen: CITGO . SUNOCO . EXXON . CONOCO . Einmal blieb er stehen und las laut und stockend: »Sauberer Treibstoff für ein besseres Morgen.« Er
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