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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Neigung gefrönt, aus einer Mücke einen Elaphaunten zu machen.
    Das zweite Erntekleid (das Susan als »Blaues Kleid mit Perlen« betrachtete; das erste, ihr Frühstückskleid, hieß »Weißes Kleid mit hoher Taille und Puffärmeln«) war abseits der anderen aufbewahrt worden, weil noch einige Änderungen anstanden, aber etwas war in das Nähzimmer im Erdgeschoss eingedrungen und hatte das Kleid so gut wie zerfetzt. Wäre es das Kostüm gewesen, das sie zum Entzünden des Freudenfeuers oder zum Ball nach dem Freudenfeuer tragen sollte, wäre die Angelegenheit wahrhaftig ernst gewesen. Aber das »Blaue Kleid mit Perlen« war im Grunde genommen nichts weiter als ein herausgeputztes Tageskleid und konnte in den zwei Monaten zwischen jetzt und dem Erntefest mühelos ersetzt werden. Nur zwei! Einst – in der Nacht, als die alte Hexe ihr den Aufschub gewährt hatte – war es ihr vorgekommen wie Äonen, bis sie Bürgermeister Thorin im Bett zu Willen sein musste. Und jetzt waren es nur noch zwei Monate! Bei diesem Gedanken wand sie sich in einer Art von unwillkürlichem Aufbegehren.
    »Ma’am?«, sagte Maria. Susan duldete nicht, dass das Mädchen sie Sai nannte, und Maria, die es nicht über sich bringen konnte, ihre Herrin mit Namen anzusprechen, hatte sich für diesen Kompromiss entschieden. Susan fand den Ausdruck amüsant, besonders wenn sie daran dachte, dass sie erst sechzehn und Maria wahrscheinlich nur zwei oder drei Jahre älter war. »Ma’am, alles in Ordnung?«
    »Nur ein Hexenschuss, Maria, das ist alles.«
    »Aye, das kenne ich. Ziemlich schlimm, das sind sie. Ich hab drei Tanten, die an der Schwindsucht gestorben sind, und wenn ich diese Schmerzen bekomme, hab ich immer Angst, dass…«
    »Was für ein Tier hat das blaue Kleid zerfetzt? Weißt du es?«
    Maria beugte sich nach vorn, damit sie ihrer Herrin vertraulich ins Ohr sprechen konnte, so als befänden sie sich auf einem bevölkerten Marktplatz anstatt auf der Straße nach Seafront. »Man sagt, dass ein Waschbär durch das Fenster reingekommen ist, das tagsüber wegen der Hitze offen steht und nachts vergessen wurde, aber ich konnte in dem Zimmer herumschnuppern, und Kimba Rimer ebenfalls, als er herunterkam, um nachzusehen. Kurz bevor er mich zu Euch geschickt hat, war das.«
    »Was hast du gerochen?«
    Maria beugte sich noch näher, und diesmal flüsterte sie fast, obwohl niemand auf der Straße war, der sie hätte hören können: »Hundefürze.«
    Es folgte ein Augenblick fassungslosen Schweigens, dann fing Susan an zu lachen. Sie lachte, bis ihr der Bauch wehtat und ihr Tränen über die Wangen liefen.
    »Willst du damit sagen, dass W-W-Wolf… der Hund des B-B-Bürgermeisters… in die Nähkammer gelaufen ist und mein Empfangsk-k…« Aber sie konnte nicht zu Ende sprechen. Sie musste zu sehr lachen.
    »Aye«, sagte Maria unumwunden. Sie schien nichts Ungewöhnliches an Susans Gelächter zu finden… und das war eine der Eigenschaften, für die Susan sie so mochte. »Aber man kann ihm keinen Vorwurf machen, das sage ich, ein Hund folgt nämlich nur seinem natürlichen Drang, wenn es ihm freisteht, das zu tun. Die Zimmermädchen…« Sie verstummte. »Ihr werdet das doch nicht dem Bürgermeister oder Kimba Rimer erzählen, Ma’am, oder?«
    »Maria, ich bin enttäuscht von dir – hältst du mich für so billig?«
    »Nein, Ma’am, ich halte Euch für anständig, das tu ich, aber es ist immer am besten, auf Nummer Sicher zu gehen. Ich wollte nur sagen, dass die Zimmermädchen an heißen Tagen manchmal in die Nähkammer gehen, wenn sie Pause machen. Sie liegt gleich im Schatten des Wachtturms, wisst Ihr, und ist der kühlste Raum im Haus – sogar kühler als die Empfangsräume.«
    »Ich werde daran denken«, sagte Susan. Sie malte sich aus, das Mittagessen und den Empfang in der Kleiderkammer hinter der Küche abzuhalten, wenn der große Tag kam, und fing wieder an zu kichern. »Weiter.«
    »Nichts mehr zu sagen, Ma’am«, antwortete Maria, als wäre alles andere zu offensichtlich, es eigens zu erwähnen. »Die Mädchen haben ihre Brote gegessen und die Krümel liegen lassen. Ich glaube, Wolf hat sie gerochen, und diesmal war die Tür offen gelassen worden. Als die Krümel weg waren, hat er das Kleid probiert. Sozusagen als zweiten Gang.«
    Diesmal lachten sie gemeinsam.
     
     
    3
     
    Aber als Susan später wieder nach Hause kam, lachte sie nicht mehr.
    Cordelia Delgado, die dachte, der glücklichste Tag ihres Lebens wäre der, wenn ihre

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