Der Dunkle Turm 4 - Glas
»Deine Entscheidung, Liebste.«
»Aye, wie du willst.« Ihre Augen wurden groß und glasig. »Ich weiß nicht, warum du glaubst, dass es diesmal anders sein sollte, aber…« Sie verstummte, folgte der tanzenden Patrone auf Rolands Hand aber weiter mit ihrem Blick. Als er sie zur Ruhe kommen ließ und die Faust darum schloss, fielen Susan die Augen zu. Sie atmete sanft und regelmäßig.
»Götter, sie ist wie ein Stein untergegangen«, flüsterte Cuthbert erstaunt.
»Sie ist schon einmal hypnotisiert worden. Von Rhea, glaube ich.« Roland hielt inne. Dann: »Susan, kannst du mich hören?«
»Aye, Roland, ich höre dich sehr wohl.«
»Ich möchte, dass du noch eine Stimme hörst.«
»Wessen?«
Roland gab Alain ein Zeichen. Wenn es jemandem gelingen konnte, die Blockierung in Susans Gehirn zu durchbrechen (oder einen Weg um sie herum zu finden), dann war er es.
»Meine, Susan«, sagte Alain, der neben Roland getreten war. »Kennst du sie?«
Sie lächelte mit geschlossenen Augen. »Aye, du bist Alain. Du warst Richard Stockworth.«
»Ganz recht.« Er sah Roland mit einem nervösen, fragenden Blick an – Was soll ich sie fragen? –, aber Roland antwortete zunächst nicht. Er war zur gleichen Zeit an zwei anderen Orten und hörte zwei verschiedene Stimmen.
Susan, am Ufer des Bachs im Weidenwäldchen: Sie sagt: ›Aye, prima, genau so, bist ein braves Mädchen‹, und dann wird alles rosa.
Sein Vater, im Garten hinter dem Großen Saal: Es ist die Pampelmuse. Womit ich meine, es ist die rosafarbene Kugel.
Die rosa.
7
Ihre Pferde waren gesattelt und beladen; die drei Jungen standen davor, äußerlich gelassen, innerlich brannten sie darauf, endlich aufzubrechen. Die Straße, mitsamt ihren Geheimnissen entlang des Weges, ruft niemanden so stark wie junge Menschen.
Sie befanden sich im Innenhof östlich des Großen Saals, nicht weit von der Stelle entfernt, wo Cort von Roland besiegt worden war, was letztlich den Stein ins Rollen gebracht hatte. Es war früher Morgen, die Sonne war noch nicht aufgegangen, graue Nebelstreifen zogen über die grünen Felder. In einer Entfernung von rund zwanzig Schritt standen Cuthberts und Alains Väter breitbeinig und mit den Händen an den Griffen ihrer Revolver Wache. Es erschien unwahrscheinlich, dass Marten (der sich vorübergehend aus dem Palast verabschiedet hatte und, soweit man wusste, auch aus Gilead selbst) einen Angriff gegen sie wagen würde – nicht hier –, aber völlig ausschließen konnte man es auch nicht.
So kam es, dass nur Rolands Vater mit ihnen sprach, als sie sich bereit machten, um ihren Ritt nach Osten, nach Mejis und zum Äußeren Bogen, anzutreten.
»Eines noch«, sagte er, während sie ihre Sattelgurte festzurrten. »Ich bezweifle, dass ihr etwas sehen werdet, was unsere Interessen berührt – nicht in Mejis –, aber ich möchte, dass ihr die Augen nach einer bestimmten Farbe des Regenbogens offen haltet. Ich meine den Regenbogen des Zauberers.« Er lächelte und fügte hinzu: »Es ist die Pampelmuse. Womit ich meine, es ist die rosa Kugel.«
»Den Regenbogen des Zauberers gibt es nur im Märchen«, sagte Cuthbert und lächelte als Antwort auf Stevens Lächeln. Doch dann – möglicherweise wegen etwas in Steven Deschains Augen – erlosch Cuthberts Lächeln. »Oder nicht?«
»Nicht alle alten Geschichten sind wahr, aber ich glaube, die von Maerlyns Regenbogen ist es«, antwortete Steven. »Man sagt, dass er einst dreizehn Glaskugeln enthielt – eine für jeden der zwölf Wächter und eine, die den Kreuzpunkt der Balken darstellt.«
»Eine für den Turm«, sagte Roland mit leiser Stimme und verspürte eine Gänsehaut. »Eine für den Dunklen Turm.«
»Aye, die Dreizehn wurde sie genannt, als ich noch ein Junge war. Wir haben uns manchmal am Lagerfeuer Geschichten von der Schwarzen Kugel erzählt und uns gegenseitig eine Heidenangst eingejagt… es sei denn, unsere Väter haben uns dabei erwischt. Mein eigener Da’ hat gesagt, es wäre nicht klug, über die Dreizehn zu sprechen, sie könnte nämlich ihren Namen hören und zu einem gerollt kommen. Aber die Schwarze Dreizehn soll euch nicht interessieren… jedenfalls jetzt nicht. Nein, es ist die rosa. Maerlyns Pampelmuse.«
Man konnte unmöglich sagen, wie ernst es ihm war… oder ob es ihm überhaupt ernst war.
»Wenn die anderen Glaskugeln vom Regenbogen des Zauberers wirklich existiert haben, sind die meisten inzwischen zerbrochen. Solche Sachen bleiben nämlich selten
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