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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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überhaupt noch lebten), und das vierte Mitglied war hilflos und verwirrt und so verrückt vor Angst wie ein Vogel in einer Scheune.
    Wäre ihre Panik von Dauer gewesen, hätte alles ganz anders kommen können. Aber als sie durch das Stadtzentrum ritt und auf der anderen Seite wieder hinaus, führte ihr Weg zu dem Haus, wo sie mit ihrem Vater und ihrer Tante gewohnt hatte. Diese Lady hatte genau nach der Reiterin Ausschau gehalten, die nun des Weges kam.
    Als sich Susan dem Haus näherte, wurde die Tür aufgerissen, und Cordelia, von Hals bis Fuß in Schwarz gewandet, kam auf dem Gartenweg zur Straße gelaufen und kreischte entweder vor Entsetzen oder Gelächter. Vielleicht beides. Ihr Anblick drang durch den vordergründigen Dunst der Panik in Susans Geist… aber nicht, weil sie sie erkannte.
    »Rhea!«, schrie sie und zog so heftig an den Zügeln, dass das Pferd ins Schlittern kam, sich aufbäumte und fast hintenübergekippt wäre. Damit hätte es seine Herrin mit großer Wahrscheinlichkeit zerquetscht, aber Pylon schaffte es leidlich, auf den Hinterbeinen zu bleiben, ruderte mit den Vorderhufen in der Luft und wieherte laut. Susan schlang ihm einen Arm um den Hals und klammerte sich in Todesangst daran fest.
    Cordelia Delgado, die ihr bestes schwarzes Kleid trug und eine mantilla aus Spitze auf dem Kopf, stand vor dem Pferd wie in ihrem eigenen Wohnzimmer und sah die Hufe offenbar gar nicht, die keinen halben Meter vor ihrer Nase die Luft durchschnitten. In einer Hand – sie trug Handschuhe – hielt sie ein Holzkästchen.
    Susan erkannte mit Verspätung, dass es nicht Rhea war, aber der Irrtum erschien verzeihlich. Tante Cord war zwar nicht so abgemagert wie Rhea (jedenfalls noch nicht) und außerdem ordentlich angezogen (abgesehen von den schmutzigen Handschuhen – Susan hatte keine Ahnung, warum ihre Tante überhaupt Handschuhe trug, geschweige denn, derart beschmierte), aber der irre Ausdruck in ihren Augen hatte schreckliche Ähnlichkeit mit dem der Hexe.
    »Guten Tag, Miss O So Jung Und Hübsch!«, begrüßte Tante Cord sie mit einer brüchigen, lebhaften Stimme, bei der Susans Herz erschauerte. Tante Cord machte einen einhändigen Hofknicks und hielt mit der anderen das Holzkästchen an ihre Brust gedrückt. »Wohin des Wegs an diesem schönen Herbsttag? Wohin so eilig? Bestimmt nicht in die Arme eines Liebhabers, das erscheint mir als gesichert, weil nämlich einer tot ist und der andere gefangen!«
    Cordelia lachte wieder und zog die dünnen Lippen über den großen, weißen Zähnen zurück. Fast ein Pferdegebiss. Ihre Augen glitzerten im Sonnenlicht.
    Sie hat den Verstand verloren, dachte Susan. Armes Ding. Armes altes Ding.
    »Hat Sie Dearborn dazu angestiftet?«, fragte Tante Cord. Sie schlich an Pylons Seite und sah mit glänzenden, feuchten Augen zu Susan auf. »Sie hat es getan, oder nicht? Aye! Vielleicht hat Sie ihm sogar das Messer gegeben, das er benutzt hat, nachdem Sie es mit den Lippen geküsst hat, um ihm Glück zu wünschen? Gemeinsame Sache habt ihr gemacht – warum gibt Sie es nicht zu? Wenigstens gestehen könnte Sie, dass Sie dem Jungen beigewohnt hat, weiß ich doch, dass es stimmt, ich habe gesehen, wie er Sie an jenem Tag angesehen hat, als Sie am Fenster saß, und wie Sie seinen Blick erwidert hat!«
    »Wenn du die Wahrheit wissen willst«, sagte Susan, »dann sollst du sie erfahren. Wir sind ein Liebespaar. Und an Jahresende werden wir Mann und Frau sein.«
    Cordelia hob die Hand mit dem schmutzigen Handschuh hoch zum blauen Himmel, als wollte sie den Göttern einen Gruß entsenden. Sie schrie vor Triumph und Gelächter, während sie winkte. »Und wird heiraten, denkt Sie! Ui! Und zweifellos wird Sie das Blut ihrer Opfer am Traualtar trinken, was? Oh, wie böse! Ich muss weinen!« Aber statt zu weinen, lachte sie wieder, ein erheitertes Heulen ins blinde blaue Antlitz des Himmels.
    »Wir haben keine Morde geplant«, sagte Susan und zog – zumindest im Geiste – eine Linie zwischen den Morden im Haus des Bürgermeisters und der Falle, die sie Farsons Soldaten stellen wollten. »Und er hat nicht gemordet. Nein, mir dünkt, dies ist das Werk deines Freundes Jonas. Sein Plan, sein dreckiges Werk.«
    Cordelia stieß die Hand in das Kästchen, das sie im anderen Arm hielt, und Susan begriff endlich, warum die Handschuhe ihrer Tante so schmutzig waren: Sie hatte im Herd gewühlt.
    »Ich verfluche Sie mit dieser Asche!«, schrie Cordelia und schleuderte eine schwarze, rußige Wolke

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