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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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hatte, aussehen würde… aber all das kam später. Im Augenblick wollte er nur eines, diese Dreckskerle töten, die ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten.
    Ein Stück voraus machte der Canyon einen Knick nach Norden. Dahinter würden sie sein, und wahrscheinlich sogar nicht sehr weit dahinter. An der Rückwand des Canyons, wo sie versuchen würden, sich hinter heruntergefallene Felsbrocken zu quetschen, wenn sie denn welche fanden. Latigo würde seine Männer zusammenziehen und die drei mit Querschlägern aus ihrer Deckung treiben. Wahrscheinlich würden sie mit erhobenen Händen herauskommen und auf Gnade hoffen. Diese Hoffnung würde aber vergeblich sein. Nach allem, was sie getan hatten, nach dem ganzen Ärger, den sie verursacht hatten…
    Als Latigo gerade um den Knick herumritt und bereits seine Pistole anlegte, schrie sein Pferd auf einmal – schrie wie eine Frau – und bäumte sich unter ihm auf. Latigo bekam den Sattelknauf zu fassen und schaffte es gerade noch, nicht abgeworfen zu werden, aber das Pferd rutschte mit den Hinterhufen im Geröll aus und fiel zur Seite. Latigo ließ den Sattel los, stieß sich vom Pferd ab und spürte, dass das Geräusch, das da in seinen Ohren hallte, plötzlich zehnmal stärker war als noch kurz zuvor und laut genug summte, dass seine Augäpfel in den Höhlen pulsierten, laut genug, dass seine Hoden unangenehm kribbelten, und laut genug, dass das Mantra übertönt wurde, das so beharrlich in seinem Kopf gehämmert hatte.
    Die Beharrlichkeit der Schwachstelle war weit, weit größer als die, deren George Latigo fähig gewesen wäre.
    Pferde drängten sich an ihm vorbei, als er in einer kauernden, hockenden Stellung landete, Pferde, die vom Druck der nachfolgenden einfach weitergeschoben wurden, von Reitern weitergeschoben, die sich in Paaren durch die Lücke drängten (dann in Dreierformation, als das Loch in dem Gestrüpp, das inzwischen auf voller Länge brannte, breiter wurde), um wieder auszuschwärmen, sobald sie den Engpass hinter sich hatten, ohne zu erkennen, dass der gesamte Canyon ein Engpass war.
    Latigo hatte ein verworrenes Kaleidoskop vor sich: schwarze Schweife und graue Vorderbeine und scheckiges Hufhaar; er sah Lederschurze und Jeans und in Steigbügel gerammte Stiefel. Er wollte gerade aufstehen, als ihn ein Hufeisen am Hinterkopf traf. Sein Hut verhinderte, dass er das Bewusstsein verlor, aber er sackte mit gesenktem Kopf auf die Knie wie ein Mensch, der beten wollte, Sterne tanzten vor seinen Augen, und sein Nacken war sofort blutüberströmt, weil das Hufeisen ihm eine klaffende Wunde in die Kopfhaut gerissen hatte.
    Nun hörte er noch mehr Pferde schreien. Und Männer. Er stand wieder auf, hustete im Staub, den die Pferde aufwirbelten (und was für ein beißender Staub; er kratzte in seinem Hals wie Rauch), und sah Hendricks, der soeben versuchte, sein Pferd in der heranbrausenden Schar der Reiter nach Südosten zu dirigieren. Er schaffte es nicht. Das letzte Drittel des Canyons bestand aus einer Art Sumpf mit grünlichem, dampfendem Wasser, und darunter musste Treibsand sein, Hendricks’ Pferd schien nämlich festzustecken. Es schrie wieder und versuchte, sich aufzubäumen. Die Hinterbeine rutschten weg. Hendricks hieb dem Tier immer wieder die Stiefel in die Seiten und versuchte es in Bewegung zu setzen, aber das Pferd wollte – oder konnte – sich nicht bewegen. Das gierige Summen ertönte in Latigos Ohren und schien die ganze Welt auszufüllen.
    »Zurück! Kehrt um!«
    Er versuchte, die Worte zu schreien, aber was herauskam, war wenig mehr als ein Krächzen. Immer noch strömten die Reiter an ihm vorbei und wirbelten Staub auf, der zu dick war, um nur Staub zu sein. Latigo holte tief Luft, damit er lauter schreien konnte – sie mussten umkehren, im Eyebolt Canyon stimmte etwas ganz und gar nicht –, hustete sie aber wieder aus, ohne ein Wort herauszubringen.
    Schreiende Pferde.
    Beißender Rauch.
    Und überall dieses winselnde, wimmernde, dröhnende Summen, das die ganze Welt wie Wahnsinn erfüllte.
    Hendricks’ Pferd fiel mit rollenden Augen, schnappte mit gefletschten Zähnen nach der rauchenden Luft und schleuderte Schaumfetzen von den Nüstern. Hendricks fiel in das dampfende, stehende Wasser, aber es war überhaupt kein Wasser. Irgendwie erwachte es zum Leben, als Hendricks hineinfiel; bekam grüne Hände und ein grünes, gefräßiges Maul; krallte nach seinen Wangen und schälte dort das Fleisch ab; krallte nach seiner Nase

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