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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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rechtzeitig zum Jahrmarkt am Jahresende. Er und dieser verdammte Esel.«
    »Capi«, sagte Jake.
    »Appy«, wiederholte Oy, der neben Jake hertrottete.
    »Als wir uns auf die Suche nach dem Turm machten, meine Freunde und ich, hat Sheemie uns begleitet. Als eine Art Schildknappe, würdet ihr wohl sagen. Er…« Aber Roland verstummte und biss sich auf die Lippen, als wollte er nichts mehr davon erzählen.
    »Und Cordelia?«, sagte Susannah. »Die verrückte Tante?«
    »War tot, noch ehe das Freudenfeuer zu Asche verbrannt war. Möglicherweise ein Herzsturm oder ein Hirnsturm – was Eddie einen Schlag nennt.«
    »Vielleicht aus Scham«, sagte Susannah. »Oder Grauen davor, was sie getan hatte.«
    »Könnte sein«, sagte Roland. »Die Wahrheit zu erkennen, wenn es zu spät ist, ist etwas Schreckliches. Das weiß ich selbst sehr wohl.«
    »Da oben ist etwas«, sagte Jake auf einmal und zeigte auf einen langen Straßenabschnitt, der von Autos geräumt worden war. »Könnt ihr es auch erkennen?«
    Roland sah es – mit seinen Augen schien er alles zu sehen –, aber es verging noch einmal eine Viertelstunde, bis Susannah die kleinen schwarzen Pünktchen auf der Straße erkennen konnte. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie wusste, worum es sich handelte, auch wenn sie das mehr ihrer Eingebung als ihren guten Augen verdankte. Zehn Minuten später war sie sich dessen ganz sicher.
    Es waren Schuhe. Sechs Paar Schuhe standen fein säuberlich in einer Reihe quer über den Fahrspuren der Interstate 70 in Richtung Osten.

Kapitel 2
    S CHUHE AUF DER S TRASSE
     
    1
     
    Sie kamen im Laufe des Vormittags zu den Schuhen. Dahinter stand, jetzt deutlicher zu sehen, der Glaspalast. Er leuchtete in einem schwachen Grünton, wie die Spiegelung eines Seerosenblatts in stillem Wasser. Leuchtende Tore befanden sich davor; rote Wimpel flatterten in einer leichten Brise auf den Türmen.
    Die Schuhe waren ebenfalls rot.
    Susannahs Eindruck, dass es sich um sechs Paar handelte, war verständlich, aber falsch – in Wirklichkeit waren es vier Paar und ein Quartett. Letzteres – vier dunkelrote Schühchen aus weichem Leder – war zweifellos für das vierfüßige Mitglied ihres Ka-Tet bestimmt. Roland hob einen davon auf und tastete im Inneren. Er wusste nicht, wie viele Bumbler je Schuhe getragen hatten, seit es die Welt gab, wäre aber jede Wette eingegangen, dass noch keiner jemals in den Genuss von seidengefütterten Lederschühchen gekommen war.
    »Bally, Gucci, werdet blass vor Neid«, sagte Eddie. »Das ist erstklassige Ware.«
    Die von Susannah waren am eindeutigsten zuzuordnen, aber nicht nur wegen der femininen, funkelnden Schnallen an den Seiten. Es waren gar keine Schuhe – sie waren eigens angefertigt worden, damit sie über ihre Beinstümpfe passten, die dicht unterhalb der Knie aufhörten.
    »Schau sich einer das an«, sagte sie staunend und hielt einen hoch, damit die Sonne in einem der Bergkristalle funkeln konnte, mit denen sie geschmückt waren… wenn es sich denn um Bergkristalle handelte. Sie hatte den irren Verdacht, dass es möglicherweise echte Diamantsplitter sein konnten. »Käppchen. Nachdem ich vier Jahre ›in Umständen reduzierten Beinraums‹ leben musste, wie meine Freundin Cynthia zu sagen pflegt, habe ich endlich ein paar Käppchen bekommen. Das muss man sich mal vorstellen.«
    »Käppchen«, staunte Eddie. »Nennt man sie so?«
    »So nennt man sie, Süßer.«
    Jake hatte knallrote Oxforder bekommen – abgesehen von der Farbe hätten sie geradezu perfekt in die gepflegten Klassenzimmer der Piper School gepasst. Er drückte einen zusammen und drehte ihn um. Die Sohle war hell und ohne Aufdruck. Kein Herstellerstempel, aber er hatte auch keinen erwartet. Sein Vater besaß rund ein Dutzend Paar teure handgefertigte Schuhe. Jake erkannte sie, wenn er sie sah.
    Eddies Schuhe waren kurze Stiefel mit schrägen Absätzen im kubanischen Stil (Vielleicht nennt man sie in dieser Welt ja Mejis-Absätze, dachte er) und spitzen Kappen… damals, in einem anderen Leben, hatte man »Straßentreter« dazu gesagt. Kids Mitte der Sechzigerjahre – eine Zeit, die Odetta/Detta/Susannah knapp verpasst hatte – hätten sie vielleicht »Beatles-Stiefel« genannt.
    Roland hatte natürlich ein Paar Cowboystiefel bekommen. Prunkstiefel, in denen man eher zum Tanzen als zum Viehtrieb ging. Ziernähte, Schmuckornamente an den Seiten, schmaler, hoher Rist. Er musterte sie, ohne sie aufzuheben, dann sah er seine Mitreisenden an und

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