Der Dunkle Turm 4 - Glas
kommt: Es gibt keine Zentralheizung in Gilead, und es ist kalt hier oben.
Und es haben noch andere Veränderungen stattgefunden: Roland trägt die Waffen, die ihm durch das Geburtsrecht zustehen, die großen Revolver mit den Sandelholzgriffen. Sein Vater hat sie ihm bei dem Bankett übergeben, denkt Jake. Er weiß nicht, woher er das weiß, aber er weiß es. Und Rolands Gesicht ist immer noch das eines Jungen, aber nicht mehr das arglose, unbekümmerte Gesicht des Jungen, der fünf Monate zuvor durch diesen Flur gegangen ist; der Junge, der von Marten angesprochen wurde, hat seither viel durchgemacht, und davon war sein Kampf mit Cort das Geringste.
Jake sieht noch etwas: Der junge Revolvermann trägt die roten Cowboystiefel. Aber er weiß es nicht. Weil es nicht wirklich passiert.
Und doch passiert es irgendwie. Sie sind im Inneren der Glaskugel des Zauberers, sie sind in dem rosa Sturm (diese rosa Heiligenscheine um die Leuchtkörper herum erinnern Jake an die Wasserfälle der Hunde und die Regenbogen, die dort im Nebel kreisten), und alles geschieht wieder ganz von vorn.
»Roland!«, ruft Eddie, der neben Susannah vor dem Wandteppich steht. Susannah stöhnt und drückt seine Schulter, damit er still bleibt, aber Eddie beachtet sie nicht. »Nein, Roland! Tu’s nicht. Keine gute Idee!«
»Nein! Olan!«, kläfft Oy.
Roland beachtet beide nicht und geht eine Handbreit an Jake vorbei, ohne ihn zu sehen. Für Roland sind sie nicht da, rote Schuhe hin oder her; dieses Ka-Tet liegt noch weit in der Zukunft.
Er bleibt an einer Tür am Ende des Flurs stehen, zögert, hebt die Faust und klopft. Eddie geht den Flur entlang auf ihn zu, ohne Susannahs Hand loszulassen…es sieht fast so aus, als würde er sie ziehen.
»Komm mit, Jake«, sagt Eddie.
»Nein, ich will nicht.«
»Es geht nicht darum, was du willst, und das weißt du. Wir müssen es sehen. Wenn wir ihn nicht aufhalten können, dann können wir wenigstens tun, wozu wir hergekommen sind. Und jetzt komm mit!«
Mit schwerem Herzen und einem Gefühl des Grauens folgt Jake ihm. Als sie sich Roland nähern – die Revolver wirken an dessen schlanken Hüften riesig, und beim Anblick des glatten, aber bereits müden Gesichts ist Jake zum Weinen zumute –, klopft der Revolvermann wieder.
»Sie ist nicht da, Süßer!«, brüllt Susannah ihn an. »Sie ist nicht da, oder sie macht nicht auf, welches von beiden, kann dir egal sein! Lass es! Lass sie in Ruhe! Sie ist es nicht wert! Dass sie deine Mutter ist, macht sie nicht besser! Geh weg!«
Aber er hört auch sie nicht, und er geht nicht weg. Während Jake, Eddie, Susannah und Oy sich unsichtbar hinter ihm aufstellen, stellt Roland fest, dass die Tür zum Gemach seiner Mutter nicht abgeschlossen ist. Er öffnet sie und betritt ein schattiges, mit Wandbehängen aus Seide geschmücktes Zimmer. Auf dem Boden liegt ein Teppich, der wie die geliebten Perserteppiche von Jakes Mutter aussieht… nur stammt dieser Teppich, wie Jake weiß, aus der Provinz Kashamin.
Auf der anderen Seite des Salons, an einem Fenster, dessen Läden wegen des Winterwinds geschlossen wurden, sieht Jake einen Stuhl mit niederer Rückenlehne und weiß, das ist der Stuhl, wo sie am Tag von Rolands Mannbarkeitsprüfung gesessen hat; dort hat sie gesessen, als ihr Sohn den Knutschfleck an ihrem Hals gesehen hat.
Der Stuhl ist jetzt frei, aber als der Revolvermann einen weiteren Schritt in den Raum macht und zum Schlafzimmer schaut, bemerkt Jake ein Paar Schuhe – schwarze, keine roten – unter den Vorhängen beim Fenster mit den geschlossenen Läden.
»Roland!«, ruft er. »Roland, hinter den Vorhängen! Jemand ist hinter den Vorhängen! Pass auf!«
Aber Roland hört ihn nicht.
»Mutter!«, ruft er. Und selbst seine Stimme ist dieselbe, Jake würde sie überall erkennen… aber eine auf so wundersame Weise frischere Version! Jung und unberührt von all den Jahren des Staubs und Winds und Zigarettenrauchs. »Mutter, ich bin es, Roland! Ich will mit dir reden!«
Immer noch keine Antwort. Er geht den kurzen Gang entlang, der zum Schlafzimmer führt. Irgendwie möchte Jake hier im Salon bleiben, zu dem Vorhang gehen und ihn beiseite reißen, aber er weiß, dass es so nicht ablaufen soll. Selbst wenn er es versuchen würde, dürfte es kaum etwas nützen; seine Hand würde wahrscheinlich einfach durch den Vorhang durchgehen wie die Hand eines Gespensts.
»Komm«, sagt Eddie. »Bleib bei ihm.«
Sie gehen so dicht nebeneinander, dass es unter
Weitere Kostenlose Bücher