Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
Vom Netzwerk:
gesehen hast, aber ich bezweifle, dass du bis jetzt gewusst hast, dass ich dich auch gesehen habe.«
    »Und ich schätze, wir werden uns wiedersehen«, sagte Roland. »Es sei denn, ich töte dich jetzt und mache deinen Einmischungen ein für alle Mal ein Ende.«
    Er hielt die Waffe noch immer in der linken Hand und griff nun mit der rechten nach der, die er im Hosenbund stecken hatte – Jakes Ruger, eine Waffe aus einer anderen Welt und möglicherweise immun gegen die Zauberkraft dieser Kreatur. Und er war schnell wie immer, atemberaubend schnell.
    Der Mann auf dem Thron schrie auf und wich zurück. Der Beutel fiel ihm aus der Hand, und die Glaskugel – die einst Rhea gehalten hatte, einst Jonas und einst selbst Roland – glitt aus der Öffnung. Rauch, diesmal grün statt rot, quoll aus den Schlitzen in den Armlehnen des Throns. Er stieg in Schwaden empor, die alles einhüllten. Dennoch hätte Roland die Gestalt, die im Rauch verschwand, vielleicht noch erschießen können, wenn er ungehindert hätte ziehen können. Aber das gelang ihm nicht; die Ruger entglitt dem Griff seiner verstümmelten Hand und drehte sich. Das Korn verfing sich in Rolands Gürtelschnalle. Er brauchte nur eine zusätzliche Viertelsekunde, um die Waffe freizubekommen, aber das war die Viertelsekunde, die der Zauberer auch nur benötigte. Roland jagte drei Schüsse in die Rauchschwaden, dann rannte er los, ohne auf die Schreie der anderen zu achten.
    Er wedelte den Rauch mit den Händen weg. Seine Schüsse hatten die Rückenlehne des Throns in dicke Glasscherben zerschmettert, aber die Kreatur in Menschengestalt, die sich Flagg genannt hatte, war verschwunden. Roland fragte sich bereits, ob er – oder es – überhaupt wirklich da gewesen war.
    Aber die Glaskugel lag noch da, sie war unversehrt und leuchtete in demselben hellen, fesselnden Rosa, an das er sich von vor so langer Zeit erinnerte – in Mejis, als er jung und verliebt gewesen war. Dieses Überbleibsel von Maerlyns Regenbogen war fast bis zum Rand des Thronsitzes gerollt; noch zwei Fingerbreit, und es wäre hinuntergestürzt und auf dem Boden zerschellt. Aber es war nicht hinuntergefallen; es existierte noch, dieses verhexte Ding, das Susan Delgado im Licht des Kussmonds zum ersten Mal durch das Fenster von Rheas Hütte gesehen hatte.
    Roland hob sie auf – wie gut sie ihm in der Hand lag, wie natürlich sie sich in seine Handfläche schmiegte, auch nach all den Jahren – und sah in ihre wolkigen, verschwommenen Tiefen. »Du hast doch immer verzaubertes Leben in dir gehabt«, flüsterte er ihr zu. Er dachte an Rhea, wie er sie in dieser Kugel gesehen hatte – ihre uralten, lachenden Augen. Er dachte an das Freudenfeuer der Erntenacht, das rings um Susan herum emporloderte und ihre Schönheit in der Hitze flimmern ließ. Sie erzittern ließ wie ein Trugbild.
    Elendes Blendwerk!, dachte er. Wenn ich dich auf dem Boden zertrümmern würde, würden wir gewiss in dem Meer der Tränen ertrinken, das aus deinem geborstenen Leib fließen würde… der Tränen aller, die du ins Verderben geführt hast.
    Warum sollte er es nicht einfach tun? Wenn er es heil ließ, konnte das abscheuliche Ding ihnen zwar vielleicht helfen, den Pfad des Balkens wiederzufinden, aber Roland glaubte nicht, dass sie es zu diesem Zweck überhaupt brauchen würden. Er glaubte, dass Ticktack und die Kreatur, die sich Flagg nannte, in dieser Hinsicht das letzte Hindernis gewesen waren. Der Grüne Palast war ihre Tür nach Mittwelt zurück… und jetzt gehörte er ihnen. Sie hatten ihn mit Waffengewalt erobert.
    Aber du kannst noch nicht gehen, Revolvermann. Erst, wenn deine Geschichte zu Ende ist, wenn du die letzte Szene erzählt hast.
    Wessen Stimme war das? Vannays? Nein. Corts? Nein. Und auch nicht die Stimme seines Vaters, der ihn einmal nackt aus dem Bett einer Hure geholt hatte. Das war die unerbittlichste Stimme, jene, die er oft in seinen unruhigen Träumen hörte und so gern zufrieden stellen wollte, was ihm aber so selten gelang. Nein, auch nicht diese Stimme, diesmal nicht.
    Diesmal hörte er die Stimme des Ka-Ka wie der Wind. Er hatte so viel von jenem Jahr, als er vierzehn war, erzählt… aber er hatte die Geschichte nicht zu Ende erzählt. Wie bei Detta Walker und dem Teller für gut der Blauen Lady blieb noch eines übrig. Etwas Verborgenes. Die Frage war nicht, ob er sah, wie sie fünf den Weg aus dem Grünen Palast finden und auf dem Pfad des Balkens weiterziehen konnten; die Frage war, ob sie

Weitere Kostenlose Bücher