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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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neben einem Knie des Jungen. Noch während Eddie sie ansah, schlug Jake die Augen auf und setzte sich auf. Seine Augen waren weit aufgerissen, aber leer; er war wach, hatte aber so fest geschlafen, dass er es noch nicht wusste.
    »Uäh«, machte Jake und gähnte.
    »Jawoll«, sagte Eddie, »das gilt auch für mich.« Er drehte sich langsam im Kreis und hatte gerade drei Viertel der Drehung zurückgelegt, da sah er am Horizont den Grünen Palast. Von hier aus wirkte er sehr klein, und der bewölkte Tag nahm ihm zudem die Leuchtkraft. Eddie schätzte, dass er dreißig Meilen entfernt sein mochte. Die Spuren von Susannahs Rollstuhl führten aus dieser Richtung hierher.
    Er konnte die Schwachstelle hören, wenn auch nur ganz leise. Er glaubte, dass er sie auch sehen konnte – einen quecksilbernen Schimmer wie von Brackwasser, das sich über flaches, offenes Land erstreckte… und etwa fünf Meilen entfernt schließlich austrocknete. Fünf Meilen westlich von hier? Angesichts der Lage des Grünen Palastes und der Tatsache, dass sie auf der I-70 nach Osten gereist waren, schien das eine logische Vermutung zu sein, aber wer konnte es schon genau sagen, zumal die Sonne nicht sichtbar zur Orientierung am Himmel stand.
    »Wo ist der Highway?«, fragte Jake. Seine Stimme klang belegt und gummiartig. Oy gesellte sich zu ihm und streckte zuerst das eine Hinterbein, dann das andere. Eddie sah, dass der Bumbler unterwegs eines seiner Schühchen verloren haben musste.
    »Vielleicht wurde er mangels Interesse gestrichen.«
    »Ich glaube, wir sind überhaupt nicht mehr in Kansas«, sagte Jake. Eddie sah ihn scharf an, glaubte aber nicht, dass der Junge bewusst auf Der Zauberer von Oz anspielte. »Nicht in dem, wo die Kansas City Royals spielen, aber auch nicht in dem, wo die Monarchs spielen.«
    »Wie kommst du darauf?«
    Jake zeigte mit einem Daumen zum Himmel, und als Eddie aufschaute, stellte er fest, dass er sich geirrt hatte: Nicht alles war reglos weiß verhangen und so langweilig wie ein Waschkorb voller Laken. Unmittelbar über ihnen glitt ein Wolkenstreifen so gleichmäßig wie ein Förderband auf den Horizont zu.
    Sie befanden sich wieder auf dem Pfad des Balkens.
     
     
    2
     
    »Eddie? Was ist los, Süßer?«
    Eddie wandte den Blick von dem Wolkenstreifen am Himmel ab und stellte fest, dass Susannah sich aufgesetzt hatte und ihren Nacken massierte. Sie schien sich nicht sicher zu sein, wo sie sich befand. Vielleicht nicht einmal, wer sie war. In diesem Licht sahen die roten Käppchen, die sie trug, seltsam stumpf aus, aber sie waren dennoch das leuchtendste in Eddies Sehbereich… bis er die eigenen Füße betrachtete und die Straßentreter mit den schrägen Absätzen im kubanischen Stil sah. Aber auch sie sahen stumpf aus, und Eddie glaubte nicht mehr, dass das nur am verhangenen Tageslicht lag. Er betrachtete Jakes Schuhe, Oys restliche drei Schühchen, Rolands Cowboystiefel (der Revolvermann richtete sich gerade auf, schlang die Arme um die Knie und sah mit leerem Blick in die Ferne). Alle Schuhe waren immer noch rubinrot, aber jetzt war das Rot irgendwie leblos. Als wäre eine zuvor innewohnende Magie verbraucht worden.
    Plötzlich wollte Eddie sie nicht mehr an den Füßen haben.
    Er setzte sich neben Susannah, gab ihr einen Kuss und sagte: »Guten Morgen, Dornröschen. Oder guten Nachmittag, wie auch immer.« Dann riss sich Eddie hastig die Straßentreter von den Füßen, als ob er sich davor ekelte, sie anzufassen (es war irgendwie, als würde man tote Haut berühren). Dabei sah er, dass die Schuhe an den Spitzen zerkratzt und an den Absätzen schlammverkrustet waren und keineswegs mehr neu aussahen. Er hatte sich gefragt, wie sie hierher gekommen waren; als er nun den Muskelkater in seinen Beinen spürte und an die Reifenspuren des Rollstuhls dachte, wusste er es. Sie waren gelaufen, bei Gott. Während sie im Schlaf gewesen waren.
    »Das«, sagte Susannah, »ist die beste Idee, die du gehabt hast, seit… na ja, seit langer Zeit.« Sie streifte die Käppchen ab. Eddie sah, wie Jake neben ihnen dem Bumbler die Schühchen abstreifte. »Waren wir dabei?«, fragte Susannah ihn. »Eddie, waren wir wirklich dabei, als er…«
    »Als ich meine Mutter getötet habe«, sagte Roland. »Ja, ihr wart dabei. Wie ich. Die Götter mögen mir helfen, ich war dabei. Ich habe es getan.« Er bedeckte das Gesicht mit den Händen und gab einige raue Schluchzlaute von sich.
    Susannah krabbelte auf ihre behände Weise – die ihrer Art

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