Der Dunkle Turm 4 - Glas
»Ich empfehle euch, ernsthaft darüber nachzudenken. Und wenn ihr in eure Welt zurückkehren wollt, dann werde ich euch gehen lassen.«
»Roland, das kann ich einfach nicht glauben«, sagte Eddie. »Das sagst du, nachdem du Suze und mich strampelnd und schreiend hierher gezogen hast? Weißt du, was mein Bruder von dir sagen würde? Du bist so widersprüchlich wie ein Schwein auf Schlittschuhen.«
»Ich habe getan, was ich getan habe, bevor ich herausgefunden habe, in euch Freunde zu sehen«, sagte Roland. »Bevor ich euch lieben lernte, wie ich Cuthbert und Alain geliebt habe. Und bevor ich gezwungen war… gewisse Momente noch einmal zu erleben. Danach habe ich…« Er hielt inne, betrachtete seine Füße (er hatte die alten Stiefel wieder angezogen) und dachte lange nach. Schließlich schaute er wieder auf. »Ein Teil von mir hatte sich seit vielen Jahren nicht mehr geregt oder gesprochen. Ich hielt ihn für tot. Aber er ist nicht tot. Ich habe wieder lieben gelernt, und mir ist klar, dass dies vielleicht die letzte Gelegenheit zu lieben für mich ist. Ich bin nicht der Hellste – Vannay und Cort wussten das; mein Vater auch –, aber ich bin nicht dumm.«
»Dann benimm dich auch nicht so«, sagte Eddie. »Oder behandle uns nicht so, als ob wir es wären.«
›»Der Knackpunkt‹, wie du dich ausdrücken würdest, Eddie, ist folgender: Alle meine Freunde sterben durch meine Schuld. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich das Wagnis eingehen kann, dass das wieder passiert. Besonders bei Jake… ich… vergesst es. Mir fehlen die Worte. Zum ersten Mal, seit ich mich in einem dunklen Zimmer umgedreht und meine Mutter getötet habe, scheine ich etwas Wichtigeres als den Turm gefunden zu haben. Belassen wir es dabei.«
»Na gut, das kann ich irgendwie akzeptieren.«
»Ich auch«, sagte Susannah, »aber Eddie hat trotzdem Recht mit dem Ka.« Sie nahm den Zettel und strich behutsam mit dem Finger darüber. »Roland, du kannst nicht davon sprechen – von Ka, meine ich – und dann einen Rückzieher machen und es zurücknehmen, nur weil deine Willenskraft und Entschlossenheit ein bisschen nachlassen.«
»Willenskraft und Entschlossenheit sind gute Worte«, sagte Roland. »Aber es gibt auch ein schlechtes, das dasselbe bedeutet. Es heißt Besessenheit.«
Susannah tat den Satz mit einem ungeduldigen Schulterzucken ab. »Zuckerschnütchen, entweder ist diese ganze Sache Ka – oder gar nichts. Und so beängstigend das Ka auch sein mag – die Vorstellung eines Schicksals mit Adleraugen und der Spürnase eines Bluthunds –, die Vorstellung, dass es kein Ka gibt, finde ich noch beängstigender.« Sie warf die Nachricht von R. F. in das niedergedrückte Gras.
»Wie immer man es nennt, man ist so oder so tot, wenn es einen überrollt«, sagte Roland. »Rimer… Thorin… Jonas… meine Mutter… Cuthbert… Susan. Fragt sie. Irgendwen. Wenn es nur ginge.«
»Du übersiehst das Wichtigste«, sagte Eddie. »Du kannst uns nicht zurückschicken. Ist dir das nicht klar, du langer Lulatsch? Selbst wenn es eine Tür gäbe, würden wir nicht gehen. Oder täusche ich mich da?«
Er sah Jake und Susannah an. Sie schüttelten den Kopf. Sogar Oy schüttelte den Kopf. Nein, er täusche sich nicht.
»Wir haben uns verändert«, sagte Eddie. »Wir…« Nun war er derjenige, der nicht wusste, wie er fortfahren sollte. Wie er sein Bedürfnis in Worte kleiden sollte, den Turm zu sehen… und sein anderes Bedürfnis, das ebenso stark war, nämlich weiter den großen Revolver mit den Sandelholzgriffen zu tragen. Das große Schießeisen nannte er ihn inzwischen in Gedanken. Wie in dem alten Song von Marty Robbins über den Mann mit dem großen Schießeisen an der Hüfte. »Es ist Ka«, sagte er. Mehr fiel ihm nicht ein, was groß genug gewesen wäre, das alles angemessen zu beschreiben.
»Kaka«, sagte Roland nach einem Augenblick des Nachdenkens. Die drei starrten ihn mit offenem Mund an.
Roland von Gilead hatte einen Witz gemacht.
4
»Eines an dem, was wir gesehen haben, verstehe ich nicht«, sagte Susannah stockend. »Warum hat sich deine Mutter hinter dem Vorhang versteckt, als du reingekommen bist, Roland? Wollte sie dich…« Sie biss sich auf die Lippen, dann sprach sie es aus. »Wollte sie dich umbringen?«
»Wenn sie mich umbringen wollte, hätte sie keinen Gürtel als Waffe genommen. Die Tatsache, dass sie ein Geschenk für mich gemacht hat – und das war es, meine Initialen waren darin eingestickt –, deutet
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