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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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und sie würde es sich ansehen; aye, ihre Augen damit anfüllen, das würde sie.
    Der Krüppel, Jonas, hatte darauf bestanden, dass sie es versteckte – man habe ihm gesagt, sie hätte eine Stelle für solche Sachen, nicht, dass er sie selbst sehen wollte, keine einzige ihrer geheimen Stellen, da seien die Götter vor (über diesen Witz hatten Depape und Reynolds gelacht wie Trolle) –, und daher hatte sie es verstaut, aber jetzt hatte der Wind den Hufschlag ihrer Pferde verschluckt, und nun würde sie tun, was ihr beliebte. Das Mädchen, dessen Titten diesem Hart Thorin dessen letztes bisschen Verstand geraubt hatten, würde frühestens in etwa einer Stunde hier sein (die alte Frau hatte darauf bestanden, dass das Mädchen zu Fuß aus der Stadt kam, und auf die reinigende Wirkung eines derartigen Fußmarschs im Mondschein verwiesen, aber in Wahrheit wollte sie nur einen sicheren Zeitpuffer zwischen ihren beiden Verabredungen haben), und in dieser Stunde würde sie tun, was ihr beliebte.
    »Oh, es ist wunderschön, da bin ich mir sicher«, flüsterte sie. Und spürte sie nicht auch eine gewisse Hitze an der Stelle, wo ihre uralten krummen Beine sich vereinten? Eine gewisse Feuchtigkeit in dem trockenen Bachbett, das dort verborgen lag? Ihr Götter!
    »Aye, selbst durch die Schachtel, in der sie es versteckt hatten, konnte ich seinen Glanz spüren. So wunderschön, Musty, so wie du.« Sie nahm die Katze von der Schulter und hielt sie sich vors Gesicht. Der alte Kater schnurrte und streckte seinen Mopskopf ihrem Gesicht entgegen. Sie gab ihm einen Kuss auf die Nase. Die Katze machte vor Wonne die milchigen, graugrünen Augen zu. »So wunderschön wie du – das bist du, das bist du! Hihi!«
    Sie setzte die Katze ab. Das Tier ging langsam zum Herd, wo die Flammen eines nächtlichen Feuers oberflächlich an einem einzigen Holzscheit leckten. Mustys Schwanz, der an der Spitze zweigeteilt war, sodass er wie der Schwanz eines Teufels auf alten Gemälden aussah, zuckte in der düster-orangeroten Atmosphäre des Raums hin und her. Die zusätzlichen Beine, die an den Seiten herunterhingen, zuckten wie im Traum. Der Schatten, der über den Boden fiel und an der Wand hinaufwuchs, bot ein Bild des Schreckens: ein Ding, das wie eine Kreuzung zwischen Katze und Spinne aussah.
    Die alte Frau stand auf und ging in ihre Schlafkammer, wo sie das Ding aufbewahrte, das Jonas ihr gegeben hatte.
    »Wenn du das verlierst, verlierst du deinen Kopf«, hatte er gesagt.
    »Hab keine Angst, mein guter Freund«, hatte sie geantwortet und ein schiefes, unterwürfiges Lächeln über die Schulter erstrahlen lassen, während sie die ganze Zeit dachte: Männer! Was für alberne Wichtigtuer sie doch waren!
    Nun ging sie zum Fußende des Betts, kniete nieder und strich mit einer Hand über den Erdboden dort. Als sie das tat, erschienen Linien in der sauren Erde. Sie bildeten ein Rechteck. In eine dieser Linien schob sie die Finger; die Linie gab unter der Berührung nach. Sie hob die verborgene Klappe hoch (auf solche Weise verborgen, dass niemand ohne die Gabe sie jemals würde öffnen können) und legte ein Fach frei, das etwa eine Elle im Quadrat maß und zwei Ellen tief war. Darin befand sich ein Hartholzkästchen. Auf diesem Kästchen hatte sich eine schmale grüne Schlange zusammengerollt. Als sie den Rücken der Schlange berührte, hob das Tier den Kopf. Es öffnete das Maul zu einem lautlosen Zischen und entblößte vier Paar Fangzähne – zwei oben, zwei unten.
    Sie hob die Schlange hoch und redete zärtlich auf sie ein. Als sie den flachen Kopf dicht an ihr Gesicht hielt, klaffte der Mund noch weiter auf, und das Zischen wurde lauter. Sie machte selbst den Mund auf; zwischen den runzligen grauen Lippen schob sie die gelbliche, übel riechende Matte ihrer Zunge hervor. Zwei Tropfen Gift – die im Punsch ausgereicht hätten, um eine ganze Abendgesellschaft zu vergiften – fielen darauf. Sie schluckte und spürte, wie ihr Mund, ihr Hals und ihre Brust brannten, als hätte sie starken Alkohol getrunken. Einen Augenblick lang verschwamm das Zimmer vor ihren Augen, und sie konnte Stimmen in der stinkenden Luft der Hütte hören – die Stimmen derer, die sie »die unsichtbaren Freunde« nannte. Aus ihren Augen lief klebriges Wasser die Furchen hinab, welche die Zeit in ihre Wangen gegraben hatte. Dann stieß sie den Atem aus, und das Zimmer wurde wieder klar. Die Stimmen verklangen.
    Sie küsste Ermot zwischen seine lidlosen Augen (die Zeit des

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