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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Gentleman genügen. Gehe hin in Frieden, Will.«
    Er nahm die Zügel wie ein Mann in einem Traum, sah sie einen Moment lang an, als wüsste er nicht um alles in der Welt, was das sein könnte, was er da in der Hand hielt, und richtete seinen Blick wieder auf Susan. Sie konnte sehen, wie er sich anstrengte, um sein Denken und seine Gefühle von dem Eindruck zu klären, den der Kuss auf ihn gemacht hatte. Dafür mochte sie ihn. Und sie war sehr froh, dass sie es getan hatte.
    »Und du ebenso«, sagte er und schwang sich in den Sattel. »Ich freue mich darauf, dir zum ersten Mal zu begegnen.«
    Er lächelte ihr zu, und sie sah Sehnsucht und Wünsche in diesem Lächeln. Dann gab er dem Pferd ein Zeichen, dirigierte es herum und ritt in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren – vielleicht, um sich das Ölfeld noch einmal anzusehen. Sie blieb stehen, wo sie stand, bei Mrs. Beechs Briefkasten, und wünschte sich, er würde sich umdrehen und winken, damit sie sein Gesicht noch einmal sehen konnte… aber er drehte sich nicht um. Als sie sich jedoch gerade abwenden und den Hügel hinab in die Stadt gehen wollte, drehte er sich doch noch einmal um und hob die Hand, die in der Dunkelheit kurz wie ein Falter flatterte.
    Susan hob die ihre ebenfalls und ging dann ihres Wegs, glücklich und unglücklich zur selben Zeit. Aber – und das war vielleicht das Entscheidende – sie fühlte sich nicht mehr beschmutzt. Als sie die Lippen des Jungen berührt hatte, schien Rheas Berührung von ihr abgefallen zu sein. Möglicherweise ein unbedeutender Zauber, aber höchst willkommen.
    Sie ging weiter, lächelte verhalten und sah häufiger zu den Sternen auf, als es ihrer Gewohnheit entsprach, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs war.

Kapitel 4
    L ANGE NACH M ONDUNTERGANG
     
    1
     
    Er ritt fast zwei Stunden lang rastlos an der so genannten Schräge entlang und drängte Rusher zu keiner schnelleren Gangart als dem Trab, obwohl er mit dem großen Wallach lieber unter den Sternen dahingaloppiert wäre, bis sich sein Blut etwas abgekühlt hätte.
    Es wird ordentlich abkühlen, wenn du die Aufmerksamkeit auf dich lenkst, dachte er, und wahrscheinlich wirst du es nicht einmal selbst abkühlen müssen. Narren sind die einzigen Menschen auf der Welt, die sich völlig darauf verlassen können, dass sie bekommen, was sie verdienen. Bei diesem alten Sprichwort musste er an den narbigen und o-beinigen Mann denken, der der größte Lehrmeister seines Lebens gewesen war, und lächelte.
    Schließlich lenkte er sein Pferd bergab zu dem Rinnsal eines Bächleins, das dort verlief, und folgte ihm anderthalb Meilen weit flussaufwärts (an mehreren Pferdeherden vorbei; die Tiere betrachteten Rusher mit einer Art verschlafener, glotzäugiger Überraschung) bis zu einem Weidenwäldchen. Aus dem Inneren wieherte leise ein Pferd. Rusher wieherte als Antwort, scharrte mit einem Huf und nickte mit dem Kopf.
    Sein Reiter zog den Kopf ein, während er unter den Weidenzweigen hindurchritt, und plötzlich schwebte ein schmales, nicht menschliches Gesicht vor ihm, dessen obere Hälfte förmlich von pupillenlosen schwarzen Augen verschlungen wurde.
    Er griff nach seiner Waffe – zum dritten Mal heute Nacht, verflucht noch mal, und zum dritten Mal war nichts da. Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte; er erkannte bereits, was da an einer Schnur vor ihm hing: dieser idiotische Krähenschädel.
    Der junge Mann, der sich derzeit Arthur Heath nannte, hatte ihn von seinem Sattel abgenommen (es amüsierte ihn, den Schädel, der derzeit ihr Versteck bewachte, »hässlich wie eine alte Oma, aber ziemlich genügsam im Unterhalt« zu nennen) und als scherzhafte Begrüßung aufgehängt. Er und seine Scherze! Rushers Herr schlug den Schädel so heftig beiseite, dass die Schnur riss und der Schädel in die Dunkelheit flog.
    »Pfui, schäm dich, Roland«, sagte eine Stimme aus dem Schatten. Sie klang vorwurfsvoll, aber unter der Oberfläche blubberte Gelächter… wie immer. Cuthbert war sein ältester Freund – die Spuren ihrer ersten Zähne hatten sich in viele gemeinsame Spielsachen eingegraben –, aber Roland hatte ihn in mancherlei Hinsicht nie verstanden. Und es war nicht nur sein Gelächter; an jenem längst vergangenen Tag, als Hax, der Palastkoch, wegen Hochverrats auf dem Galgenberg gehängt werden sollte, hatte Cuthbert die Qualen von Grauen und Gewissensbissen durchlebt. Er hatte Roland gesagt, er könne nicht bleiben, könne nicht zusehen…

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