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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Brackwasser. Nebel steigt von ihr auf. Manchmal sieht er wie lange, knochige Arme aus. Mit Händen an den Enden.«
    »Wächst sie?«
    »Aye, sie sagen, dass sie wächst, so wie das jede Schwachstelle tut, aber langsam. Sie wird zeit Eures oder meines Lebens nicht aus dem Eyebolt Canyon herauskommen.«
    Sie schaute zum Himmel auf und sah, dass die Sternbilder, während sie beide sich unterhalten hatten, auf ihren Bahnen weitergezogen waren. Ihr schien, als könnte sie die ganze Nacht mit ihm reden – über die Schwachstelle, über das Citgo-Ölfeld oder darüber, wie ihre Tante ihr auf die Nerven ging, einfach über alles –, und der Gedanke erschreckte sie. Warum passierte ihr das ausgerechnet jetzt, bei den Göttern? Nachdem sie sich drei Jahre die Jungen in Hambry vom Hals gehalten hatte, warum sollte sie nun einen Jungen treffen, der sie auf so seltsame Weise interessierte? Warum war das Leben so ungerecht?
    Ihr früherer Gedanke, den sie in der Stimme ihres Vaters gehört hatte, fiel ihr wieder ein: Wenn es Ka ist, wird es wie ein Sturm daherkommen, und deine Pläne werden ebenso wenig davor bestehen können wie ein Schuppen vor einem Wirbelsturm.
    Aber nein. Und nein. Und nein. Derart sperrte sie sich mit all ihrer beachtlichen Entschlossenheit gegen den Gedanken. Das hier war kein Schuppen; dies war ihr Leben.
    Susan streckte die Hand aus und berührte das rostige Blech von Mrs. Beechs Briefkasten, als wollte sie einen Anhaltspunkt in der Welt finden. Möglicherweise bedeuteten ihre kleinen Hoffnungen und Tagträume nicht so viel, aber ihr Vater hatte sie gelehrt, sich selbst an ihrer Fähigkeit zu messen, das, was sie sagte, auch in die Tat umzusetzen, und sie würde seine Lehren nicht einfach über Bord werfen, weil sie zu einer Zeit, da ihr Körper und ihre Gefühle durcheinander waren, einen gut aussehenden Jungen kennen lernte.
    »Ich lasse Euch hier zurück, damit Ihr Euch wieder zu Euren Freunden gesellen oder Euren Ritt fortsetzen könnt«, sagte sie. Ihre Stimme klang so ernst, dass sie sich ein wenig traurig fühlte, war es doch der Ernst einer Erwachsenen. »Aber vergesst nicht Euer Versprechen, Will – wenn Ihr mich in Seafront seht – dem Haus des Bürgermeisters –, und wenn Ihr mein Freund seid, dann seht mich dort zum ersten Mal. So wie auch ich Euch sehen werde.«
    Er nickte, und nun bemerkte sie den eigenen Ernst als Spiegelung in seinem Gesicht. Und vielleicht auch die Traurigkeit. »Ich habe noch nie ein Mädchen gebeten, mit mir auszureiten, oder gefragt, ob sie einen Besuch von mir wohlheißen würde. Euch würde ich fragen, Susan, Tochter des Patrick – ich würde Euch sogar Blumen bringen, um meine Erfolgsaussichten zu verbessern –, aber ich fürchte, es würde nichts nützen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nay. Würde es nicht.«
    »Habt Ihr ein Eheversprechen gegeben? Ich weiß, es ist dreist von mir, das zu fragen, doch führe ich nichts Böses im Schilde.«
    »Dessen bin ich gewiss, aber ich ziehe es vor, nicht zu antworten. Meine Stellung ist derzeit etwas delikat, wie ich Euch schon sagte. Außerdem ist es spät. Hier werden sich unsere Wege trennen, Will. Aber bleibt… noch einen Augenblick…«
    Sie suchte in der Tasche ihrer Schürze und holte ein halbes Stück Kuchen heraus, das in ein grünes Blatt gewickelt war. Die andere Hälfte hatte sie auf dem Weg den Cöos hinauf gegessen… in der anderen Hälfte ihres Lebens, wie es ihr jetzt vorkam. Sie hielt den Rest ihres kleinen Abendessens Rusher hin, der daran schnupperte, es aß und ihr dann die Hand leckte. Sie lächelte, weil ihr das samtige Kitzeln auf der Handfläche gefiel. »Aye, bist ein gutes Pferd, das bist du.«
    Sie sah Will Dearborn an, der auf der Straße stand, mit seinen staubigen Stiefeln scharrte und sie unglücklich ansah. Der harte Ausdruck war aus seinem Gesicht gewichen; er sah wieder aus, als wäre er in ihrem Alter oder gar jünger. »Es war eine gute Begegnung, oder nicht?«, sagte er.
    Sie trat nach vorn, und ehe sie darüber nachdenken konnte, was sie tat, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Der Kuss war kurz, aber alles andere als schwesterlich.
    »Aye, eine sehr gute Begegnung, Will.« Aber als er sich auf sie zubewegte (so unbewusst wie eine Blume, die ihr Gesicht der Sonne zudrehte), um das eben Erlebte zu wiederholen, stieß sie ihn sanft, aber bestimmt einen Schritt zurück.
    »Nay, das war nur ein Dankeschön, und ein Dankeschön sollte einem

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