Der Dunkle Turm 6 - Susannah
war rundlich und rosa und nicht einmal von einem einzigen Leberfleck entstellt – einfach makellos –, und ich wusste nach einem einzigen Blick darauf, was meine Bestimmung war. Ich fickte nicht, um Sex zu haben oder weil ich mich im Koitus fast sterblich fühlte oder weil es den meisten meiner Sexgefährten den Tod brachte, sondern um ein Baby wie dieses Paar zu bekommen. Eines wie ihr Michael.«
Sie senkte den Kopf leicht und sagte: »Ich hätte ihn zu gern geraubt. Wäre zu dem Mann gegangen, hätte ihn gefickt, bis er rasend war, und ihm dann ins Ohr geflüstert, er solle seine Alte umbringen. Und nachdem sie zur Lichtung am Ende des Pfades gegangen wäre, hätte ich ihn zu Tode gefickt, und das Baby – dieses schöne kleine rosa Baby – hätte mir gehört. Verstehst du?«
»Ja«, sagte Susannah. Ihr war leicht schlecht. Vor ihnen kehrte die geisterhafte Frau erneut mitten auf der Straße um und kam wieder zurück. Etwas weiter entfernt plärrte der Rekommandeur-Roboter seine scheinbar endlosen Anpreisungen: Girls, Girls, Girls ! Manche sind Humies, und manche sind Cybies, aber wen kümmert’s, du merkst keinen Unterschied!
»Ich entdeckte, dass ich nicht in ihre Nähe kommen konnte«, sagte Mia. »Es war, als wäre ein Zauberkreis um sie gezogen. Daran war wahrscheinlich das Baby schuld. – Und dann kam die Pest. Der Rote Tod. Manche Leute behaupteten, droben im Schloss sei irgendetwas geöffnet worden, ein Gefäß mit Dämonenzeug, das ewig hätte verschlossen bleiben sollen. Andere sagten, die Pest komme aus dem Erdspalt, den sie den Teufelsarsch nannten. Jedenfalls bedeutete sie das Ende des Lebens in Fedic, des Lebens am Rande von Discordia. Viele verließen die Stadt zu Fuß oder mit Planwagen. Das Baby Michael und seine Eltern blieben, weil sie auf einen Zug hofften. Ich wartete jeden Tag darauf, dass auch sie erkranken würden – dass die roten Punkte sich auf den rosigen Wangen und den dicken Ärmchen des Babys zeigen würden –, aber das geschah nicht; keiner der drei wurde krank. Vielleicht lebten sie wirklich in einem Zauberkreis. So muss es gewesen sein. Und dann kam ein Zug. Es war Patricia der Mono. Weißt du, was…«
»Ja«, sagte Susannah. Sie wusste alles über Blaines Schwesterzug, was sie wissen wollte. Patricia musste einst Fedic ebenso bedient haben wie Lud.
»Aye. Sie stiegen ein. Ich beobachtete sie vom Bahnsteig aus, weinte meine ungesehenen Tränen und schrie meine ungehörten Klagen. Sie stiegen mit ihrem süßen Kleinen ein… nur war er da schon drei, vier Jahre alt, konnte gehen und reden. Und sie fuhren davon. Ich wollte ihnen folgen, Susannah, aber das konnte ich nicht. Ich war hier gefangen. Dass ich meine Bestimmung kannte, machte mich zu einer Gefangenen.«
Susannah fragte sich insgeheim, ob das alles so stimmte, beschloss aber, sich lieber nicht dazu zu äußern.
»Jahre und Jahrzehnte und Jahrhunderte vergingen. In Fedic gab es inzwischen nur noch die Roboter und die unbestatteten Leichen der Opfer des Roten Todes, die zu Skeletten wurden und dann zu Staub zerfielen. Schließlich kamen wieder Männer hierher, aber ich wagte nicht, in ihre Nähe zu kommen, weil sie seine Männer waren.«
»Die des Scharlachroten Königs.«
»Aye, die mit den endlos blutenden Wunden mitten auf der Stirn. Sie sind dorthin gegangen.« Sie zeigte auf den Dogan von Fedic – die Experimentalstation des Bogens 16. »Und bald liefen ihre verfluchten Maschinen wieder, genau so, als glaubten sie noch immer, Maschinen könnten die Welt zusammenhalten. Nicht, dass es ihnen darum geht, sie zusammenzuhalten, musst du wissen! Nein, nein, nicht ihnen! Sie haben Betten herangekarrt…«
»Betten!«, sagte Susannah verblüfft. Auf der Straße vor ihnen erhob die geisterhafte Frau sich wieder einmal auf den Fußballen und drehte eine weitere elegante Pirouette.
»Aye, für die Kinder, obwohl es noch lange Jahre dauern sollte, bevor die Wölfe sie herzubringen begannen – und lange bevor du Teil der Lebensgeschichte deines Dinhs wurdest. Aber dann rückte diese Zeit nahe, und Walter kam zu mir.«
»Kannst du die Frau von der Straße verschwinden lassen?«, fragte Susannah abrupt (und ziemlich übellaunig). »Ich weiß, dass sie eine Version deiner selbst ist, das habe ich kapiert, aber sie macht mich… ich weiß nicht… nervös. Kannst du machen, dass sie fortgeht?«
»Aye, wenn du das möchtest.« Mia spitzte die Lippen und blies. Die beunruhigend schöne Frau – der namenlose Geist –
Weitere Kostenlose Bücher