Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Dunkle Turm 6 - Susannah

Titel: Der Dunkle Turm 6 - Susannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
Vom Netzwerk:
eine Pause, dann sagte sie: »Ziemlich sicher sogar zum Schlechten. Trotzdem kümmert mich das nicht, nein, mich nicht. Ich bin Mia, niemands Tochter, eines Mutter. Mich kümmert mein kleiner Kerl und sonst niemand. Der kleine Kerl ist mir genug, aye! Du willst palavern? Meinetwegen. Ich erzähle dir, was ich kann, und spreche wahrhaftig. Wie auch nicht? Was bedeutet es schon, so oder so?«
    Susannah sah sich um. Als sie sich der Mitte des Schlosses zuwandte – der nachtschwarzen Fläche, die sie für den Burghof hielt –, nahm sie uralten Modergeruch wahr. Mia sah, wie sie die Nase rümpfte, und lächelte.
    »Aye, sie sind längst tot, und die Maschinen, die spätere Bewohner hinterlassen haben, stehen fast alle still, aber der Geruch ihres Sterbens hängt noch in der Luft, nicht wahr? Das tut Todesgeruch immer. Frag deinen Freund, den Revolvermann, den wahren Revolvermann. Er weiß es, hat er doch seinen Teil an Toden ausgeteilt. Er ist für vieles verantwortlich, Susannah von New York. Die Schuld von Welten hängt ihm wie ein verwesender Leichnam um den Hals. Trotzdem ist er mit seiner kühlen, forschen Entschlossenheit so weit gegangen, dass er endlich die Augen der Großen auf sich gezogen hat. Er wird vernichtet werden, aye, und mit ihm alle, die ihm beistehen. Auch ich trage sein Verderben in meinem Bauch, aber das kümmert mich nicht.« Im Sternenschein war zu sehen, wie sie das Kinn vorreckte. Unter dem serape wogte ihr Busen… und, wie Susannah jetzt sah, wölbte sich ihr Bauch. Zumindest in dieser Welt war Mia unübersehbar schwanger. Schier dem Platzen nahe.
    »Stell deine Fragen, gib’s mir«, sagte Mia. »Denk aber daran, dass wir auch in der anderen Welt existieren, in der, wo wir unauflöslich miteinander verkettet sind. Wir liegen in jener Herberge auf dem Bett, als würden wir schlafen… aber wir schlafen nicht, stimmt’s, Susannah? Nay. Und wenn das Telefon klingelt, wenn meine Freunde anrufen, verlassen wir diesen Ort und wenden uns ihnen zu. Sind deine Fragen bis dahin gestellt und beantwortet, schön. Sind sie’s nicht, ist es auch recht. Frag also. Das heißt… bist du nicht ein Revolvermann?« Sie verzog die Lippen zu einem verächtlichen Lächeln. Susannah fand, dass sie anmaßend wirkte, sogar richtig unverschämt. Vor allem für eine Frau, die in der Welt, in die sie irgendwann zurückkehren mussten, nicht imstande gewesen wäre, allein von der Forty-sixth Street in die Forty-seventh zu finden. »Schieß los!, sollte ich da wohl lieber sagen.«
    Susannah blickte nochmals in den dunklen, unebenen Tümpel, der sozusagen die weiche Füllung des Schlosses bildete und in dem seine Verliese und Kasematten, seine Barbakane und Mordlöcher, seine weiß Gott was lagen. Sie hatte einmal einen Kurs in mittelalterlicher Geschichte belegt und kannte deshalb einige dieser Ausdrücke, aber das lag schon lange zurück. Bestimmt gab es irgendwo dort unten auch einen Bankettsaal, den einen, den sie selbst mit Essen versorgt hatte, zumindest einige Zeit lang. Aber auch diese Zeit, in der sie Speisen und Getränke geliefert hatte, war vorüber. Sollte Mia sie zu stark oder zu weit drängen, würde sie das schon selbst herausfinden.
    Bis es so weit war, hielt sie es für am besten, mit etwas verhältnismäßig Leichtem anzufangen.
    »Wenn das hier das Schloss am Abgrund ist«, sagte sie, »wo ist dann der Abgrund? Ich sehe dort draußen nichts als ein Minenfeld aus Felsformationen. Und dieses rote Glühen am Horizont.«
    Mia, deren schulterlanges schwarzes Haar hinter ihr herwehte (das Haar war kein bisschen wie Susannahs gekräuselt; Mias Haar war glatt wie Seide), zeigte über die im Dunkel unter ihnen liegende Kluft hinweg auf die jenseitige Mauer, wo die Türme sich erhoben und der Wehrgang seine Biegung fortsetzte.
    »Das dort ist der Zwinger«, sagte sie. »Jenseits davon liegt das Dorf Fedic, inzwischen gänzlich verlassen, alle Einwohner sind vor tausend und mehr Jahren am Roten Tod gestorben. Und weiter dahinter…«
    »Am Roten Tod?«, fragte Susannah erstaunt (und unwillkürlich auch ängstlich). »Edgar Allan Poes Roter Tod? Wie in der Kurzgeschichte?« Ja, warum sollte das nicht so sein? Hatten sie nicht schon einen Abstecher in L. Frank Baums Land Oz gemacht? Was würde als Nächstes kommen? Das Weiße Kaninchen und die Herzkönigin?
    »Lady, das weiß ich nicht. Ich kann dir nur sagen, dass jenseits des verlassenen Dorfs die äußere Mauer liegt, und jenseits der äußeren Mauer liegt

Weitere Kostenlose Bücher