Der Dunkle Turm 6 - Susannah
indem er ihn blitzschnell eingezogen hatte). Er hörte die Vogelstimmen, erst noch fremdartig und fern wie Vögel, die in einem Traum sangen, dann nahe und prosaisch und völlig gegenwärtig. Sonnenlicht traf ihn ins Gesicht und hätte ihn geblendet, weil er aus dem Dunkel der Höhle kam, aber Roland hatte die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen – sowie er dieses grelle Licht sah, hatte er das in Gedankenschnelle getan. Hätte er das nicht getan, hätte er den auf der Zwei-Uhr-Position aufblitzenden Kreis bestimmt übersehen, als sie auf festgewalzter, von Öl dunkler Erde landeten. Dann wäre Eddie bestimmt gestorben. Vielleicht wären sie sogar beide tot gewesen. Nach Rolands Erfahrung blitzten nur zwei Gegenstände mit solch herausragend vollkommener Rundheit auf: Brillengläser und das Zielfernrohr einer Waffe.
Der Revolvermann packte Eddie ebenso in Gedankenschnelle am Arm, wie er die Augen zum Schutz gegen das hereinbrechende Sonnenlicht zusammengekniffen hatte. Er hatte die Anspannung in den Muskeln des jüngeren Mannes gespürt, als ihre Füße den mit Felsbrocken und Knochen übersäten Boden der Torweghöhle verließen, und sie schlaff werden gefühlt, als Eddies Kopf gegen die Seite der nichtgefundenen Tür schlug. Aber Eddie stöhnte, versuchte noch zu reden, also war er zumindest teilweise bei Bewusstsein.
»Eddie, zu mir!«, brüllte der Revolvermann, während er sich aufrappelte. Ein fast unerträglicher Schmerz explodierte in seiner rechten Hüfte und raste bis zum Knie hinunter, aber er ließ sich äußerlich nichts anmerken. Nahm ihn eigentlich sogar kaum wahr. Er schleppte Eddie mit sich auf ein Gebäude, irgendein Gebäude zu und an etwas vorbei, was selbst Roland als Benzinzapfsäulen erkannte. Sie trugen den Namen MOBIL statt CITGO oder SUNOCO, zwei Namen, mit denen der Revolvermann vertraut gewesen wäre.
Eddie war bestenfalls halb bei Bewusstsein. Die linke Gesichtshälfte war wegen einer Platzwunde auf der Kopfhaut blutüberströmt. Trotzdem gebrauchte er die Beine so gut wie möglich und stolperte die drei hölzernen Stufen zu etwas hinauf, was Roland jetzt als Gemischtwarenhandlung erkannte. Sie war beträchtlich kleiner als Took’s, aber sonst nicht viel an…
Ein geschmeidiger Peitschenschlag von einem Schussknall erklang leicht rechts hinter ihnen. Weil der Schütze so nahe war und Roland den Schuss hörte, konnte er sichergehen, dass der Mann mit dem Gewehr glatt danebengeschossen hatte.
Etwas flog kaum einen Fingerbreit entfernt an seinem Ohr vorbei und machte dabei ein deutlich hörbares Geräusch: Mizzzzzz! Die Scheibe in der Eingangstür des kleinen Ladens zersplitterte nach innen. Das Schild, das dort gehangen hatte (WIR HABEN GEÖFFNET, ALSO NUR HEREIN) , sprang hoch und verdrehte sich.
» Rolan …« Eddies Stimme, schwach und fern, so als spräche er mit dem Mund voller Watte. » Rolan… wa… wer… UFF !« Das Letzte war ein überraschtes Grunzen, weil Roland ihn hinter der Tür zu Boden gestoßen und sich auf ihn geworfen hatte.
Dann war ein weiterer dieser geschmeidigen Peitschenhiebe zu hören, der zeigte, dass dort draußen ein Schütze mit einem Gewehr mit äußerst hoher Durchschlagskraft lauern musste.
»Ach, scheiß drauf, Jack!«, hörte Roland jemanden rufen, und im nächsten Augenblick eröffnete ein Schnellschießer – eine Waffe, die Eddie und Jake als Maschinengewehr bezeichnet hätten – das Feuer. Die schmutzigen Schaufensterscheiben auf beiden Seiten der Eingangstür krachten in Kaskaden aus blinkenden Glassplittern herab. Die innen ans Glas geklebten Zettel – amtliche Bekanntmachungen, dessen war Roland sich sicher – flatterten durch die Luft.
Zwei Frauen und ein schon etwas ältlicher Gent waren die einzigen Kunden in den Regalgängen. Die drei wandten sich dem Eingang – und damit Roland und Eddie – zu, und auf ihren Gesichtern stand der ewig verständnislose Ausdruck unbewaffneter Zivilisten geschrieben. Der Blick von Grasfressern, wie Roland manchmal fand, als wären solche Leute – die meisten Einwohner der Calla Bryn Sturgis nicht ausgenommen – Schafe statt Menschen.
»Runter!«, blaffte Roland von dort aus, wo er auf seinem halb ohnmächtigen (und jetzt atemlosen) Gefährten lag. »Um euer Götter willen RUNTER MIT EUCH!«
Der schon ältliche Gent, der trotz der Wärme im Laden ein dickes kariertes Flanellhemd trug, ließ die Büchse (eine Tomate war darauf abgebildet), die er in der Hand hielt, fallen und warf sich
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