Der Dunkle Turm 6 - Susannah
Tut nichts zur Sache. Ich habe Ihnen in wenigen Augenblicken etwas mitzuteilen, meine Liebe. Es wird Ihnen leider nicht sehr gefallen, aber ich finde, Sie sollten es dennoch erfahren.«
Susannah schwieg weiter, was ihr aber zunehmend schwerer fiel.
»Was die unmittelbare Zukunft deines kleinen Kerls angeht, Mia, so bin ich überrascht, dass du es überhaupt für nötig gehalten hast, danach zu fragen«, sagte Sayre nun. Er war ein aalglatter Typ, wer immer er war, und sein Ton enthielt genau die richtige Menge sorgfältig berechneter Empörung. »Der König hält seine Versprechen – im Gegensatz zu manchen anderen, die ich nennen könnte. Und, die Frage unserer Integrität einmal ausgeklammert, denk an die praktischen Seiten! Wer außer dir sollte das vielleicht wichtigste Kind, das jemals geboren wurde – einschließlich Christus, einschließlich Buddha, einschließlich des Propheten Mohammed –, aufziehen dürfen? Von welcher anderen Brust, wenn ich das einmal derb ausdrücken darf, würden wir ihn stillen lassen wollen?«
Musik in ihren Ohren, dachte Susannah trübselig. All die Dinge, die sie sich zu hören gesehnt hat. Und weshalb? Weil sie Mutter ist.
»Sie würden ihn mir anvertrauen!«, rief Mia aus. »Natürlich nur mir! Ich danke Ihnen! Ich danke Ihnen!«
Susannah sagte schließlich doch etwas. Forderte sie auf, ihm nicht zu trauen. Und wurde natürlich rundweg ignoriert.
»Ich würde dich so wenig belügen, wie ich ein meiner eigenen Mutter gegebenes Versprechen brechen würde«, sagte die Stimme am Telefon. (Hast du denn je eine gehabt, Schätzchen?, wollte Detta wissen.) »Auch wenn die Wahrheit manchmal wehtut, haben Lügen die Angewohnheit, zurückzukommen und auf uns zurückzufallen, nicht wahr? Die Wahrheit ist in diesem Fall, Mia, dass du deinen kleinen Kerl nicht lange haben wirst, dass seine Kindheit nicht wie die anderer Kinder, normaler Kinder verlaufen wird…«
»Ich weiß! Ach, ich weiß!«
»… aber in den fünf Jahren, in denen du ihn hast – oder vielleicht sieben Jahre, es könnten bis zu sieben sein –, wird er von allem nur das Beste haben. Natürlich hauptsächlich von dir, aber auch von uns. Unsere Einmischung wird minimal sein…«
Detta Walker sprang vor, so schnell und gemein wie sich selbst entfachendes Bratfett. Sie konnte Susannah Deans Stimmbänder zwar nur für einen Augenblick in Besitz nehmen, aber es war ein kostbarer Augenblick.
»Stimmt genau, Liebling, stimmt genau«, gackerte sie, »er kommt nich in deim Mund oder geht dir sonstwie auf ‘n Keks!«
»Bring dieses Weibsbild zum SCHWEIGEN!«, donnerte Sayre, und Susannah spürte den Rempler, mit dem Detta von Mia Hals über Kopf – aber noch immer gackernd – in den Hintergrund ihres gemeinsamen Verstands zurückgestoßen wurde. Wieder in den Kerker zurück.
Dem hab ich aber die Meinung geblasn, Scheiße noch mal!, rief Detta aus. Hab sie dem weißn Motherfucker geblasn!
Sayres Stimme drang kalt und klar aus der Sprechmuschel. »Mia, hast du sie nun unter Kontrolle oder nicht?«
»Ja! Ja, das habe ich!«
»Dann lass so was nicht wieder passieren.«
»Das tue ich nicht!«
Und irgendwo – es schien über ihr zu sein, obwohl es hier im Hintergrund ihres gemeinsamen Verstands keine Richtungen gab – fiel etwas krachend zu. Es klang wie eine Eisentür.
Jetzt sind wir wirklich eingesperrt, erklärte sie Detta, aber Detta lachte nur weiter.
Ich weiß ohnehin ziemlich sicher, wer sie ist, dachte Susannah. Außer mir, meine ich. Diese Wahrheit erschien ihr offenkundig. Der Teil Mias, der weder Susannah noch etwas war, was aus der leeren Welt gerufen worden war, um die Befehle des Scharlachroten Königs auszuführen… dieser dritte Teil musste in Wirklichkeit das Orakel sein, Elementargeist oder nicht: jener weibliche Geist, der sich zuerst an Jake hatte vergreifen wollen, sich dann stattdessen aber Roland genommen hatte. Jene traurige, sehnsüchtige Seele. Nun hatte sie endlich den Körper, den sie brauchte. Der imstande war, den kleinen Kerl auszutragen.
»Odetta?« Sayres Stimme, neckend und grausam. »Oder Susannah, wenn Ihnen das lieber ist? Ich habe Ihnen Neuigkeiten versprochen, nicht wahr? Allerdings geht’s dabei leider um ein Gemisch aus guten und schlechten Nachrichten. Möchten Sie sie dennoch hören?«
Susannah schwieg weiter.
»Die schlechte Nachricht ist, dass Mias kleiner Kerl unter Umständen doch nicht imstande sein wird, das in seinem Namen liegende Schicksal zu erfüllen, indem
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