Der Dunkle Turm 6 - Susannah
dann schnipste er es wie eine Murmel übers Linoleum. »Will ich nicht«, sagte er und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn.
Tower, der unverbesserliche Sammler, hob das verformte Geschoss auf. Deepneau begutachtete inzwischen mit stummer Faszination die Bissspuren in seinem Ledergürtel.
»Cal«, sagte Eddie und stützte sich dabei auf die Ellbogen. »In Ihrem Bücherschränkchen gibt es da ein Buch…«
»Die Bücher will ich alle wiederhaben«, sagte Tower sofort. »Hoffentlich bewahren Sie sie anständig auf, junger Mann.«
»Sie sind bestimmt in bestem Zustand«, sagte Eddie und nahm sich vor, sich notfalls wieder auf die Zunge zu beißen. Oder greif dir Aarons Gürtel und beiß darauf wenn die Zunge nicht ausreicht.
»Das will ich doch hoffen, junger Mann; sie sind jetzt alles, was ich noch besitze.«
»Ja, zusammen mit den ungefähr vierzig Büchern in deinen verschiedenen Bankschließfächern«, sagte Aaron Deepneau, der den erbosten Blick, den sein Freund ihm daraufhin zuwarf, geflissentlich abtat. »Der signierte Ulysses ist vermutlich das Glanzstück, aber dazu gehören auch einige prachtvolle Shakespeare-Folios, eine signierte Faulkner-Gesamtausgabe…«
»Aaron, würdest du bitte den Mund halten?«
»… und ein Huckleberry Finn, den du jederzeit gegen eine Mercedes-Limousine eintauschen könntest«, beendete Deepneau den Satz.
»Jedenfalls war eines davon ein Buch mit dem Titel Brennen muss Salem«, sagte Eddie jetzt. »Von einem Mann namens…«
»Stephen King«, ergänzte Tower. Nach einem letzten Blick legte er die Kugel neben die Zuckerdose auf den Küchentisch. »Wie ich höre, lebt er sogar irgendwo hier in der Nähe. Ich habe zwei Exemplare von Salem und drei von Carrie, seinem ersten Roman, gekauft. Ich hatte gehofft, damit nach Bridgton fahren zu können, um sie mir signieren zu lassen. Aber daraus wird jetzt wohl nichts mehr.«
»Ich verstehe nicht, was es so wertvoll macht«, sagte Eddie, und dann: »Autsch, Roland, das tut weh!«
Roland war dabei, Eddies Bein provisorisch zu verbinden. »Halt still«, sagte er nur.
Tower beachtete dieses Zwischenspiel nicht weiter. Eddie hatte die Rede wieder auf sein Lieblingsthema, seine Obsession, seine Leidenschaft gebracht. Was Gollum in Tolkiens Büchern »seinen Schatz« genannt hätte, wie Eddie vermutete.
»Erinnern Sie sich daran, was ich Ihnen erzählt habe, als wir über Der Hogan gesprochen haben, Mr. Dean? Oder Der Dogan, wenn Ihnen das lieber ist? Ich habe gesagt, dass der Wert eines seltenen Buchs – genau wie der einer seltenen Münze oder Briefmarke – auf unterschiedliche Weise entsteht. Manchmal genügt ein Autograph…«
»Ihr Exemplar von Brennen muss Salem ist nicht signiert.«
»Nein, dieser Schriftsteller ist nämlich noch sehr jung und nicht sonderlich bekannt. Vielleicht wird er eines Tages ja berühmt, vielleicht aber auch nicht.« Tower zuckte die Achseln, fast so, als wollte er damit sagen, das Ganze hänge vom Ka ab. »Aber dieses spezielle Buch… Also, die erste Auflage betrug nur siebeneinhalbtausend Stück, und von denen wurden fast alle hier in Neuengland verkauft.«
»Warum das? Weil der Kerl, der das Buch geschrieben hat, von hier stammt?«
»Ja. Wie es recht häufig passiert, so entstand der Wert des Buches auch hier rein zufällig. Eine hiesige Ladenkette hatte beschlossen, kräftig die Werbetrommel für Salem zu rühren. Sie ließ sogar einen Werbespot fürs Fernsehen produzieren, was auf der Einzelhandelsebene sonst fast nie vorkommt. Und es hat funktioniert. Bookland of Maine hat fünftausend Exemplare der ersten Auflage bestellt – fast siebzig Prozent – und praktisch alle abverkauft. Und wie bei Der Hogan haben auch hier Druckfehler den Preis in die Höhe getrieben. Diesmal nicht im Titel, sondern im Klappentext. Eine authentische Erstausgabe von Brennen muss Salem erkennt man an der abgeschnittenen Preisangabe – Doubleday hat den Preis in letzter Minute von sieben fünfundneunzig auf acht fünfundneunzig heraufgesetzt – und dem Namen des Geistlichen im Klappentext.«
Roland sah auf. »Was ist mit dem Namen des Geistlichen?«
»Im Buch heißt er Father Callahan. Aber im Klappentext hat jemand Father Cody geschrieben – so wie der Arzt des Städtchens heißt.«
»Und das war alles, was nötig war, um den Preis eines Exemplars von neun Mäusen auf siebenhundertfünfzig zu treiben?«, fragte Eddie staunend.
Tower nickte. »Das war alles – Seltenheit, abgeschnittene
Weitere Kostenlose Bücher