Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
gewiss, aber Mordred empfindet seinem Roten Vater gegenüber nicht mehr Loyalität als gegenüber seinem Weißen Vater. Was er wirklich am meisten genießt – das entdeckt er jetzt –, ist die bittere Einsamkeit eines Außenstehenden. Die Ereignisse mit dem kalten Interesse eines Kindes zu beobachten, das Leben und Tod, Krieg und Frieden durch die Glasscheibe der Ameisenfarm auf seinem Schreibpult beobachtet.
Würde er wirklich zulassen, dass der Ki’-dam dort unten seinen Weißen Vater tötete? Oh, wahrscheinlich nicht. Dieses Vergnügen behält Mordred sich selbst vor, und er hat seine Gründe dafür; schon jetzt hat er seine Gründe dafür. Aber was die anderen betrifft – den jungen Mann, die kurzbeinige Frau, den Jungen –, ja, wenn Ki’-dam Prentiss die Oberhand gewinnt, soll er sie nach Belieben töten oder auch alle drei. Was Mordred Deschain angeht, so wird er das Spiel seinen Lauf nehmen lassen. Er wird beobachten. Er wird zuhören. Er wird die Schreie hören und den Brandgeruch riechen und das Blut in der Erde versickern sehen. Und erst dann, wenn er glaubt, dass Roland mit seinem Vorhaben zu scheitern droht, wird er, Mordred, eingreifen. Zugunsten des Roten Königs, wenn das angezeigt scheint, aber in Wirklichkeit zu seinen eigenen und aus eigenen Beweggründen, die recht simpel sind: Mordred sein hongrig.
Und wenn Roland und sein Ka-Tet ihr Spiel gewinnen sollten? Es gewinnen und ihren Weg zum Turm fortsetzen? Das hält Mordred für nicht sehr wahrscheinlich, auf seine eigentümliche Art gehört nämlich auch er zu ihrem Ka-Tet; er teilt ihr Khef und fühlt, was sie fühlen. Er spürt das bevorstehende Auseinanderbrechen ihrer Gemeinschaft.
Ka-Shume!, denkt Mordred lächelnd. Im Kopf des Wüstenhundes ist ein einzelnes Auge zurückgeblieben. Eines der behaarten Spinnenbeine liebkost es und pflückt es dann heraus. Mordred isst es wie eine Weinbeere, dann wendet er sich wieder dem weißen Licht der Gaslaternen zu, das an den Rändern der Wolldecke hervordringt, mit der Roland den Höhleneingang verhängt hat.
Könnte er sich näher heranschleichen? Nahe genug, um lauschen zu können?
Mordred traut sich das schon deshalb zu, weil der auffrischende Wind die Geräusche seines Annäherns übertönen wird. Eine erregende Vorstellung.
Er huscht den Felsenhang hinab und nähert sich dem schmalen Lichtstreifen, dem Murmeln der Stimme aus dem Tonbandgerät und den Gedanken der Zuhörenden: seine Brüder, seine Schwester-Mutter, der zahme Bumbler und natürlich der Oberaufseher aller, der Große Weiße Ka-Daddy.
Mordred kriecht so nahe heran, wie er es nur wagt, und kauert sich dann in der kalten und windigen Dunkelheit zusammen. Er fühlt sich elend, genießt sein Elend aber auch und träumt seine Außenseiterträume. Im Inneren, hinter der Wolldecke, ist Licht. Sollen sie es nur haben, wenn sie wollen; es sei dort einstweilen Licht. Zu guter Letzt wird er, Mordred, es löschen. Und in der Dunkelheit wird er sich seinen Freuden hingeben.
Kapitel VIII
A NMERKUNGEN AUS DEM P FEFFERKUCHENHÄUSCHEN
1
Eddie sah zu den anderen hinüber. Jake und Roland saßen auf den Schlafsäcken, die für sie zurückgelassen worden waren. Oy lag zusammengerollt zu Jakes Füßen. Susannah war bequem im Sattel ihres Geländedreirads geparkt. Eddie nickte zufrieden und drückte die Starttaste des Tonbandgeräts. Die Spulen drehten sich … zunächst nur Stille … sie drehten sich … noch immer Stille … dann, nachdem ein Räuspern zu hören gewesen war, begann Ted Brautigan zu sprechen. Sie hörten über vier Stunden lang zu, und Eddie wechselte die leere Spule jeweils gegen die nächste volle aus, ohne sich die Mühe zu machen, die bereits gehörten Tonbänder zurückzuspulen.
Niemand schlug vor, für heute doch erst einmal Schluss zu machen, am wenigsten Roland. Er hörte stumm fasziniert zu, obwohl seine Hüfte wieder zu pochen begann. Roland glaubte, jetzt mehr zu verstehen; jedenfalls wusste er, dass sie eine reelle Chance hatten, das zu unterbinden, was in dem Komplex dort unten geschah. Dieses Wissen ängstigte ihn, weil ihre Erfolgsaussichten dennoch äußerst gering waren. Ihr Ka-Shume-Gefühl machte das klar. Und wie hoch der Einsatz war, begriff man erst richtig, wenn man die Göttin in ihrem weißen Gewand sah, das Miststück von Göttin, deren Ärmel zurückfiel, um ihren anmutigen schneeigen Arm sehen zu lassen, während sie einen heranwinkte: Kommt zu mir, rennt zu mir. Ja, es ist möglich, ihr
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