Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
schon erzählt, dass die Taheen eigentlich keine Denkerkappen brauchen? Sie sprechen fließend Englisch, und ich habe gelegentlich bemerkt, dass sie in beschränktem Umfang zu Gedankensondierungen fähig sind, aber wenn man sich bei ihnen einklinkt, empfängt man nur den Verstand betäubende statische Störungen – weißes Rauschen. Ich war der Ansicht, das komme von irgendeiner Abschirmung; Dinky vermutet, dass das die Art ist, wie sie tatsächlich denken. Jedenfalls haben sie es dadurch leichter. Sie brauchen morgens nicht daran zu denken, dass sie eine Kopfbedeckung aufsetzen müssen, bevor sie aus dem Haus gehen!
Trampas war einer der Can-Toi-Springer. Man konnte ihn an einem Tag die Hauptstraße von Pleasantville entlangschlendern oder mitten auf der Promenade auf einer Bank sitzen sehen – meistens mit irgendeinem Selbsthilfebuch wie Sieben Schritte zu positivem Denken. Am nächsten Tag lehnte er dann vielleicht am Heartbreak House an der Mauer und sonnte sich. Ebenso verhält es sich mit den übrigen Can-Toi. Falls es dabei ein Verhaltensmuster gibt, habe ich es nie enträtseln können; Dinky übrigens auch nicht. Wir glauben inzwischen, dass es gar keines gibt.
Was Trampas immer von allen anderen unterschied, war das völlige Fehlen eines Neidkomplexes. Er ist – oder vielmehr war – tatsächlich freundlich; in mancher Beziehung schien er gar kein niederer Mann zu sein. Bei seinen Can-Toi-Kollegen war er offenbar nicht sonderlich beliebt. Was irgendwie paradox ist, denn falls das Werden, nach dem sie alle streben, wirklich möglich ist, gehört Trampas zu den wenigen, die damit gewissen Erfolg zu haben scheinen. Zum Beispiel mit einfachem Lachen. Das Lachen der meisten niederen Männer klingt, als würde eine Ladung Steine eine Blechschütte runterrasseln; macht einem echt ’ne Gänsehaut, wie Tanya immer sagt. Wenn dagegen Trampas lacht, klingt das zwar ein bisschen hoch, aber sonst ganz normal. Weil er wirklich lacht, glaube ich. Von Herzen lacht. Die anderen zwingen sich nur dazu.
Jedenfalls habe ich eines Tages ein Gespräch mit ihm angefangen. Auf der Hauptstraße war das, vor dem Kino. Krieg der Sterne wurde zum x-ten Mal gezeigt. Wenn es einen Film gibt, von dem die Brecher nie genug kriegen können, dann ist das Krieg der Sterne.
Ich habe ihn gefragt, ob er wisse, wo sein Name herkomme. Er hat geantwortet, ja, natürlich wisse er das – von seiner Clan-Familie. Jeder Can-Toi erhält irgendwann im Lauf seiner Entwicklung von seiner Clan-Familie einen Hume-Namen; es handelt sich dabei um eine Art Mannbarkeitsritual. Dinky sagt, dass sie den Namen kriegen, wenn sie sich zum ersten Mal erfolgreich einen runtergeholt haben, aber das ist bloß wieder einer seiner typischen Sprüche. Tatsache ist, dass wir’s nicht wissen und dass es auch nicht wichtig ist. Manche dieser Namen sind schon ziemlich lächerlich. Beispielsweise gibt’s hier einen Kerl, der wie Rondo Hatton aussieht, ein Filmschauspieler aus den Dreißigerjahren, der an Akromegalie litt und deshalb immer Monster und Psychopathen spielte, aber er heißt Thomas Carlyle. Außerdem gibt’s hier einen Beowulf und einen Typen namens Van Gogh Baez.«
Susannah, ein alter Bleecker-Street-Folkie, verbarg ihr Gesicht in den Händen, um einen Kicheranfall zu unterdrücken.
»Jedenfalls habe ich ihm erzählt, dass Trampas eine Figur aus dem berühmten Westernroman Der Virginier ist. Nur der zweite Mann hinter dem wahren Helden, gewiss, aber Trampas spricht den einen Satz des Buchs, an den sich jeder erinnert: ›Lächle, wenn du das sagst.‹ Das hat unserem Trampas geschmeichelt, und ich habe ihm schließlich beim Kaffee im Drugstore den ganzen Roman erzählt.
Wir wurden Freunde. Ich habe ihm erzählt, was in unserer kleinen Gemeinschaft aus Brechern vorgehe, und er hat mir alle möglichen harmlosen, aber interessanten Dinge erzählt, die sich auf seiner Seite des Zauns ereigneten. Trampas hat auch über sein Ekzem geklagt, von dem es ihm schrecklich am Kopf juckte. Er hat immer wieder seine Mütze abgenommen – dieses kleine runde Ding, das fast wie eine Jarmulke aussah, aber aus Jeansstoff genäht war –, um sich darunter am Kopf zu kratzen. Er hat behauptet, das sei die schlimmste Stelle überhaupt, sogar noch schlimmer als Ekzeme am Pullermann. Und allmählich habe ich mitbekommen, dass ich immer dann, wenn er die Mütze abnahm, um sich zu kratzen, seine Gedanken lesen konnte. Nicht nur die an der Oberfläche, sondern wirklich alle.
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