Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
aber Armitage bekam ihn am Arm zu fassen. Selbst wenn er das nicht getan hätte … wohin hätte Dave flüchten können? Durch die Tür zurück? Die war jetzt geschlossen und funktionierte höchstwahrscheinlich nur in einer Richtung. Die einzige von uns, die nicht einen Laut von sich gab, war Tanya, und als ich sie ansah, erkannte ich in ihrem Blick und las in ihren Gedanken nur eines: Erleichterung. Wir wussten jetzt nämlich Bescheid. Nicht alle Fragen waren beantwortet, aber die beiden wichtigsten waren es. Wo waren wir? In einer anderen Welt. Würden wir zurückkehren? Nie im Leben. Unser Geld würde auf der Seamans Bank in San Francisco bleiben, bis es zu Millionen geworden war, und niemand würde es jemals ausgeben. Unser Engagement hier war langfristig angelegt.
Es stand ein Bus bereit, der von einem Roboter namens Phil gefahren wurde. ›Phil ist mein Name, ich mach’s nicht mehr lange, aber davor ist mir nicht bange‹, sagte er. Er roch stechend nach Ozon, und tief aus seinen Eingeweiden kamen alle möglichen unharmonischen Klickgeräusche. Der alte Phil lebt inzwischen nicht mehr, ist mit Gott weiß wie vielen anderen auf dem Friedhof für Züge und Roboter abgekippt worden, aber sie haben noch genügend mechanisierte Helfer, um zu Ende zu bringen, was sie angefangen haben, davon bin ich überzeugt.
Dick war in Ohnmacht gefallen, als wir in Donnerschlag herauskamen, aber als dann vor uns die Lichter des Komplexes auftauchten, kam er wieder zu sich. Tanya hatte seinen Kopf auf ihrem Schoß, und ich weiß noch, wie dankbar er zu ihr aufgesehen hat. Komisch, woran man sich manchmal erinnert, oder? Am Tor wurden wir eingecheckt. Man teilte uns auf die Wohnheime auf, wies uns unsere Suiten zu, sorgte dafür, dass wir zu essen bekamen … und es war eine verdammt gute Mahlzeit. Die erste von vielen.
Am nächsten Tag begannen wir zu arbeiten. Und abgesehen von meinem kleinen ›Urlaub in Connecticut‹ haben wir seither nichts als gearbeitet.«
Wieder eine Pause. Dann:
»Gott sei uns gnädig, wir haben seitdem nichts als gearbeitet. Und Gott verzeih uns, die meisten von uns sind dabei glücklich gewesen. Weil Talent sich nach nichts anderem sehnt, als gebraucht zu werden.«
9
Ted erzählt ihnen von seinen ersten paar Schichten im Studiersaal und seiner Erkenntnis – zu der er nicht allmählich, sondern fast augenblicklich gelangte –, dass sie nicht hier waren, um Spione zu enttarnen oder die Gedanken russischer Wissenschaftler zu lesen »oder zu sonstigem Raumfahrt-Blödsinn«, wie Dinky sagen würde (nicht dass Dinky im Gegensatz zu Sheemie von Anfang an da gewesen wäre). Nein, ihre Arbeit besteht daraus, etwas zu zerbrechen. Das kann er spüren, nicht nur am Himmel über dem Algul Siento, sondern überall um sie herum, sogar unter ihren Sohlen.
Trotzdem ist er eigentlich zufrieden. Das Essen ist gut, und obwohl sein Sexualtrieb sich im Lauf der Jahre ziemlich abgeschwächt hat, hat er nichts gegen einen gelegentlichen Fick, wobei er sich allerdings jedes Mal daran erinnert, dass Simulatorsex eigentlich nichts anderes ist als maschinenunterstützte Masturbation. Andererseits ist er im Lauf der Jahre gelegentlich zu einem Fick zu einer Nutte gegangen, wie’s viele Männer auf Wanderschaft tun, und könnte bestätigen, dass auch diese Art Sex sich nicht allzu sehr von Masturbation unterscheidet; man rackert sich ab, dass einem der Schweiß runterläuft, und sie gurrt dabei »Baby-Baby-Baby«, während sie sich in Wirklichkeit fragt, ob sie nicht bald mal wieder tanken müsste, und sich zu erinnern versucht, an welchem Tag es bei Red & White für alle Artikel doppelt Rabattmarken gibt. Wie bei den meisten Dingen im Leben muss man seine Phantasie benutzen, und das kann Ted, er versteht sich auf die gute alte Visualisierungstechnik, verbindlichsten Dank. Ihm gefällt das Dach über dem Kopf, ihm gefällt die Gesellschaft der anderen … Die Wachen sind Wachen, das schon, aber er glaubt ihnen, wenn sie sagen, dass es ebenso ihr Job ist, zu verhindern, dass böses Zeug von draußen reinkommt, wie sie dafür sorgen müssen, dass die Brecher nicht abhauen. Er mag auch die Insassen und merkt nach ein, zwei Jahren, dass die Insassen ihn auf irgendeine seltsame Weise brauchen. Er kann sie trösten, wenn sie Depressionen haben; er kann ihr in krampfartigen Wellen auftretendes Heimweh mildern, indem er ungefähr eine Stunde lang leise murmelnd mit ihnen spricht. Und das ist bestimmt eine gute Sache.
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