Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Augenblick gellte einer der Feuermelder im ersten Stock, vermutlich der im Westflügel, mit lautem an- und abschwellendem Heulen los. Mehrere Brecher, die aus tranceartiger tiefer Konzentration gerissen wurden, schrien überrascht und ängstlich auf. Dinky schrie ebenfalls auf, aber vor Erleichterung. Aus Erleichterung und noch etwas anderem. Freude? Genau, sehr wahrscheinlich war es Freude. Als der Feuermelder loszuschrillen begann, hatte er nämlich das machtvolle Summen des »guten Geists« plötzlich abbrechen hören. Die unheimliche kombinierte Kraft der Brecher war wie ein überlasteter Stromkreis zusammengebrochen.
Unterdessen hatte er einen Auftrag auszuführen. Er durfte nicht länger warten. Dinky stand auf, ließ das Kreuzworträtselheft achtlos auf den Orientteppich fallen und wandte sich in Gedanken an die übrigen Brecher im Studiersaal. Das war nicht sonderlich schwierig; mit Teds Hilfe hatte er fast täglich für diesen Augenblick geübt. Und wenn es funktionierte? Wenn die Brecher etwas, was er nur antippen konnte, aufnahmen, wiederholten und bis zur Ebene eines Befehls verstärkten? Nun, dann würde es übermächtig werden. Es würde zum Dominantakkord einer neuen »Guten Geist«-Ausgestaltung werden.
Zumindest bestand darin die Hoffnung.
( HIER BRENNT’S LEUTE IM GEBÄUDE IST FEUER AUSGEBROCHEN )
Wie um das zu unterstreichen, waren ein leiser Knall und ein Klirren zu hören, mit dem etwas implodierte, und dann quollen auch schon die ersten dünnen Rauchschwaden aus den Lüftungsöffnungen. Die Brecher sahen sich mit weit aufgerissenen, glasigen Augen um; einige von ihnen standen nun auch auf.
Und Dinky sendete:
( KEINE SORGE KEINE PANIK KEINE GEFAHR BENUTZT DIE )
Er sendete ein perfektes, oft geübtes Bild der Nordtreppe, dann fügte er Brecher hinzu. Brecher, die in geordneter Ruhe die Nordtreppe hinuntergingen. Brecher, die das Gebäude durch die Küche verließen. Feuerprasseln, Rauchgeruch, aber beides aus dem Schlafbereich der Wachen im Westflügel. Würde irgendjemand den Wahrheitsgehalt dieser gesendeten Gedanken anzweifeln? Würde jemand sich fragen, wer sie sendete und warum? Nein, sie waren jetzt nur verängstigt. Sie warteten jetzt darauf, dass jemand ihnen sagte, was sie zu tun hatten, und Dinky Earnshaw war dieser Jemand.
( NORDTREPPE GEHT DIE NORDTREPPE HINUNTER UND AUF DEN RASEN HINTER DEM GEBÄUDE HINAUS )
Und es funktionierte! Sie machten sich alle in diese Richtung auf. Wie Schafe, die einem Leittier folgten, oder Pferde, die einem Hengst folgten. Einige griffen die beiden Grundvorstellungen
( KEINE PANIK KEINE PANIK)
( NORDTREPPE NORDTREPPE )
auf und wiederholten sie. Und was noch besser war: Dinky hörte sie jetzt auch von oben. Von den Can-Toi und Taheen, die noch auf den Baikonen waren.
Niemand rannte, niemand geriet in Panik, aber der Exodus die Nordtreppe hinunter hatte begonnen.
9
Susannah saß am Fenster des Schuppens, hinter dem sie versteckt gewesen war, auf ihrem Geländedreirad und machte sich jetzt keine Sorgen mehr, sie könnte entdeckt werden. Rauchmelder – mindestens drei Stück – jaulten vor sich hin. Noch lauter gellte eine Feuersirene; das Heulen kam aus dem Damli House, dessen war sie sich sicher. Wie als Antwort kamen von der Seite des Komplexes, auf der Pleasantville lag, Hupensignale, die wie elektronische Wildgansschreie klangen. Gleichzeitig hörte sie eine Vielzahl lärmender Glockentöne.
Da das alles südlich von ihnen passierte, war es kein Wunder, dass die Frau, die sich im Norden des Devar-Toi aufhielt, die drei Posten auf den efeuumrankten Wachttürmen nur von hinten sah. Drei schienen nicht sehr viele zu sein, aber sie verkörperten immerhin fünf Prozent der Gesamtstärke. Zumindest war das ein Anfang.
Susannah blickte über den Lauf ihrer Waffe hinweg auf den einen, den sie im Visier hatte, und schickte ein Gebet los. Gott, lass mich gut treffen … gut treffen …
Bald.
Bald war es so weit.
10
Finli hielt weiter den Arm des Oberaufsehers umklammert. Pimli schüttelte die Hand ab, machte sich auf den Weg zu seinem Domizil und starrte dabei ungläubig den Rauch an, der aus allen Fenstern der linken Seite quoll.
»Boss!«, brüllte Finli, indem er ihn wieder am Arm packte. »Boss, das ist unwichtig! Wir müssen uns um die Brecher kümmern. Um die Brecher!«
Er drang nicht durch, aber das schockierende an- und abschwellende Heulen des Feuermelders schaffte es. Pimli drehte sich wieder danach um und
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