Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Gedanken weit fort, bei diesen Stimmen gewesen.
Diesen verlorenen Stimmen.
Kapitel III
W IEDER IN N EW Y ORK
(R OLAND WEIST SICH AUS )
1
Am Morgen des 21. Juni 1999, einem Montagmorgen, schien die Sonne über New York City, gerade so als läge Jake Chambers nicht tot in der einen Welt und Eddie Dean in einer anderen; als läge Stephen King nicht im Klinikum Lewiston auf der Intensivstation und käme jeweils nur für kurze Zeit wieder zu Bewusstsein; als säße Susannah Dean nicht mit ihrem Kummer allein in einem Zug, der auf unsicheren alten Gleisen durchs dunkle Wüstenland Donnerschlag zur Geisterstadt Fedic raste. Es hatte welche gegeben, die entschlossen gewesen waren, sie auf ihrer Reise wenigstens bis dorthin zu begleiten, aber Susannah hatte jene gebeten, ihr etwas Freiraum zu lassen, und man hatte ihren Wunsch respektiert. Sie wusste, dass sie sich besser fühlen würde, wenn sie weinen konnte, was sie bisher allerdings nicht geschafft hatte – ein paar zufällige Tränen, bedeutungslose Schauer in der Wüste, waren das Beste, was sie hatte hervorbringen können –, obwohl sie das grässliche Gefühl hatte, dass alles weit schlimmer war, als sie sich ausdenken konnte.
Scheiße, das is kein »Gefühl«, krähte Detta verächtlich aus ihrem Innersten, während Susannah in dunkles, felsiges Wüstenland und auf vereinzelte Ruinen von Dörfern und Kleinstädten hinausstarrte, die verlassen worden waren, als die Welt sich weiterbewegt hatte. Du hast ’ne regelrechte Intuizjon, Mädel! Die einzige Frage, wo du nich beantwortn kannst, is doch, ob der olle Lange, Große und Hässliche oder der junge holde Knabe jetz dein Mann auf der Lichtung besuchen.
»Bitte, nicht«, murmelte sie. »Bitte keiner von beiden, Gott, ich kann keinen weiteren Tod ertragen.«
Aber Gott blieb ihrem Flehen gegenüber taub, Jake blieb tot, der Dunkle Turm blieb am Ende des Can’-Ka No Rey stehen, warf seinen Schatten über eine Million laut singender Rosen, und in New York brannte die heiße Sommersonne auf Gerechte wie Ungerechte herab.
Könnt ihr mir ein Halleluja geben?
Danke-sai.
Jetzt soll mir jemand noch ein großes altes Gott-Bomben-Amen zurufen.
2
Mrs. Tassenbaum ließ ihren Wagen im Sir-Speedy-Parkhaus in der Sixty-third Street (das Schild auf dem Gehsteig zeigte einen Ritter, der in voller Rüstung am Lenkrad eines Cadillacs saß und seine Lanze unbekümmert aus dem Fahrerfenster streckte), in dem David und sie zwei Dauermieteplätze hatten. Ihr Apartment lag in der Nähe, und Irene fragte Roland, ob er nicht dort hingehen wolle, um sich erst einmal frisch zu machen … obwohl der Mann in seinem derzeitigen Aufzug eigentlich nicht mal so übel aussah, wie sie sich eingestehen musste. Sie hatte ihm neue Jeans und dazu ein weißes Hemd gekauft, dessen Ärmel er bis zu den Ellbogen aufgekrempelt trug; außerdem hatte sie einen Kamm und eine Tube Gel gekauft, das so stark war, dass seine Molekularstruktur wahrscheinlich einem Superkleber ähnlicher als Vitalis war. Indem sie ihm seine grau melierte Mähne straff nach hinten gekämmt hatte, hatte sie das hagere, gut geschnittene Gesicht und die kantigen Züge einer interessanten Mischung freigelegt: einer Mischung aus Quäker und Cherokee, wie sie sich vorstellte. Die Tasche mit den Orizas hing wieder über Rolands Schulter. Auch sein Revolver, dessen Holster in den Patronengurt gewickelt war, steckte darin – vor neugierigen Blicken durch das T-Shirt mit dem Old-Home-Days-Aufdruck getarnt.
Roland schüttelte den Kopf. »Danke für das Angebot, aber ich möchte lieber erledigen, was getan werden muss, und dann dorthin zurückgehen, wo ich hingehöre.« Er beobachtete die auf dem Gehsteig vorbeihastende Menge mit düsterem Blick. »Falls ich überhaupt irgendwo hingehöre.«
»Du könntest ein paar Tage in der Wohnung bleiben und dich ausruhen«, sagte sie. »Ich würde bei dir bleiben.« Und dich dumm und dämlich ficken, wenns beliebt, dachte sie und musste unwillkürlich lächeln. »Das heißt, ich weiß natürlich, dass du das nicht annehmen wirst, aber du sollst eben wissen, dass mein Angebot steht.«
Er nickte. »Danke, aber es gibt da eine Frau, die darauf angewiesen ist, dass ich so schnell wie möglich zu ihr zurückkomme.« Das klang wie eine Lüge – und noch dazu eine groteske. Berücksichtigte man, was alles passiert war, brauchte Susannah Dean die Rückkehr von Roland Deschain in ihr Leben ungefähr so dringend, wie Bah-bos in einem
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