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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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wenn er ihnen antwortet und schreibt, dass er das ebenso sehr bedauert wie sie, dass er ebenso überrascht ist wie sie? In tausend Jahren nicht, wie sein Großvater gesagt hätte. Er denkt an seinen Roman Sie: Annie Wilkes nennt Paul Sheldon einen Utschibutschi-Balg, weil er versucht, die alberne, hohlköpfige Misery Chastain loszuwerden. Annie brüllt, dass Paul der Autor ist, und der Autor ist Gott für seine Gestalten, er braucht keine von ihnen umzubringen, wenn er nicht will.
    Aber Stephen ist nicht Gott. Zumindest nicht in diesem Fall. Er weiß verdammt genau, dass Jake Chambers nicht am Unfallort war, und auch Roland Deschain nicht – diese Vorstellung ist lächerlich, die beiden sind nur erfunden, verdammt noch mal –, aber er weiß auch, dass das Lied, das er hört, wenn er an seinem raffinierten Macintosh sitzt, sich irgendwann in Jakes Todeslied verwandelt hat, und würde er das ignorieren, würde er den Kontakt zum Ves’-Ka Gan ganz verlieren, und das darf nicht sein. Nicht, wenn er den Roman beenden will. Dieses Lied ist die einzige Fährte, die er hat, die Spur aus Brotbrocken, der er folgen muss, wenn er jemals aus dem von ihm selbst gepflanzten Zauberwald seines Plots herausfinden will, und …
    Weißt du bestimmt, dass du ihn gepflanzt hast?
    Äh … nein. Eigentlich kann er das nicht mit Bestimmtheit sagen. Ruft also schon mal die Männer in den weißen Kitteln.
    Und weißt du ganz sicher, dass Jake an jenem Tag nicht dort war? An wie viel von dem verdammten Unfall kannst du dich denn überhaupt erinnern?
    An nicht viel. Er weiß noch, wie er das Dach von Bryan Smiths Van über dem Horizont hat auftauchen sehen und erkannt hat, dass der Wagen nicht auf der Straße war, wo er hingehörte, sondern auf dem unbefestigten Seitenstreifen. Danach erinnert er sich, dass Smith auf einer Steinmauer gesessen, auf ihn hinuntergesehen und ihm erzählt hat, dass sein Bein bestimmt sechs- bis siebenmal gebrochen ist. Aber zwischen diesen beiden Erinnerungen – der an die Annäherung und der an einen Zeitpunkt unmittelbar nach dem Unfall – ist der Film seines Gedächtnisses rot versengt.
    Oder fast rot.
    Aber wenn er manchmal nachts aus Träumen erwacht, an die er sich nicht recht erinnern kann …
    Manchmal hört er … na ja …
    »Manchmal hörst du Stimmen«, sagt er. »Warum sprichst du das nicht einfach laut aus?«
    Und dann lachend: »Ich hab’s eben getan, glaube ich.«
    Er hört das Klicken von Hundekrallen, das den Flur entlang näher kommt, dann streckt Marlowe seine lange Schnauze ins Arbeitszimmer. Er ist ein Welsh Corgi mit kurzen Beinen und langen Ohren, jetzt schon recht betagt, mit eigenen Wehwehchen und Schmerzen, von dem Auge, das er letztes Jahr wegen Krebs verloren hat, ganz zu schweigen. Der Tierarzt meinte, die Operation würde er wahrscheinlich nicht überleben, aber er hat’s geschafft. Was für ein feiner Kerl. Was für ein zäher Kerl. Und als er den Kopf hebt, um aus seiner unvermeidlich niedrigen Perspektive zu dem Schriftsteller aufzusehen, trägt er sein gewohntes teuflisches Grinsen zur Schau. Wie läuft’s, Bubba?, scheint dieser Blick zu fragen. Hast du in letzter Zeit ein paar gute Worte gefunden? Wie geht’s immer?
    »Mir geht’s gut«, sagt er zu Marlowe. »Ich halte durch. Und wie geht’s dir?«
    Marlowe (manchmal auch als Langschnauze bekannt) wedelt zur Antwort mit seinem arthritischen Hinterteil.
    »Sie wieder.« Das habe ich zu ihm gesagt. Und er hat gefragt: »Erinnern Sie sich an mich?« Möglicherweise hat er es auch als Aussage formuliert: »Sie erinnern sich an mich.« Ich habe ihm gesagt, dass ich durstig sei. Er hat gesagt, er habe nichts zu trinken da, er hat gesagt, das tue ihm Leid, und ich habe ihn einen Lügner genannt. Und damit hatte ich Recht, es hat ihm nämlich überhaupt nicht Leid getan. Ihm war’s scheißegal, ob ich Durst hatte, weil nämlich Jake tot war, und er hat versucht, mir den Tod des Jungen anzuhängen, der Dreckskerl hat versucht, die Schuld daran mir in die Schuhe zu schieben …
    »Aber nichts davon hat sich wirklich ereignet«, sagt King, während er beobachtet, wie Marlowe in Richtung Küche zurückwatschelt, wo er noch mal seine Schüssel inspizieren wird, bevor er eines seiner immer länger werdenden Nickerchen macht. Das Haus ist bis auf die beiden leer, und unter diesen Umständen führt er oft Selbstgespräche. »Ich meine, das weißt du doch, oder? Dass sich nichts davon wirklich ereignet hat.«
    Er nimmt an, dass er das

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