Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
wollen, strahlte eine Frostigkeit aus, die sie als noch schlimmer denn wirkliche Kälte empfand. Diese Wesen, die sie dort hatte flüstern hören, mochten uralt sein, aber sie waren anscheinend noch immer hungrig. Und so drängten die drei sich wieder wärmesuchend neben Ho Fats Luxustaxi mitten auf der Ödland-Prachtstraße aneinander und warteten darauf, dass die Temperatur mit Sonnenaufgang um ein paar Grad anstieg. Sie versuchten, mit Holz aus einem der eingestürzten Gebäude Feuer zu machen, schafften es aber nur, eine doppelte Hand voll Sterno zu vergeuden. Der Brennstoff verlief sich zwischen dem Holz des zerbrochenen Stuhls, den sie als Anmachholz hatten verwenden wollen, flammte kurz auf und ging dann aus. Das Holz wollte einfach nicht brennen.
»Warum?«, fragte Susannah, während sie beobachtete, wie die letzten Rauchfetzen sich auflösten. »Warum?«
»Überrascht dich das, Susannah von New York?«
»Nein, aber ich möchte den Grund dafür wissen. Ist es zu alt? Versteinert oder irgendwas?«
»Es brennt nicht, weil es uns hasst«, sagte Roland, als hätte das auch für sie auf der Hand liegen müssen. »Das hier ist sein Land, noch immer seines, obwohl er weitergezogen ist. Hier hasst uns alles. Aber … pass auf, Susannah. Was hältst du davon, wenn wir wieder nachts marschieren, da wir jetzt auf einer richtigen Straße sind, die überwiegend gepflastert ist? Willst du’s versuchen?«
»Klar«, sagte sie. »Alles dürfte besser sein, als auf der Straße zu liegen und vor Kälte zu bibbern wie ein Kätzchen, das gerade ins Wasserfass getunkt worden ist.«
Und so verfuhren sie dann auch – für den Rest dieser ersten Nacht und in den beiden folgenden Nächten. Susannah dachte sich oft: Ich werde bestimmt krank, so kann ich nicht weitermachen, ohne mir irgendwas zu holen, aber dazu kam es nie. Sie wurden beide nie krank. Lästig war nur der Pickel links neben ihrer Unterlippe, der manchmal aufplatzte und etwas blutete, bevor er sich wieder schloss und verschorfte. Das Einzige, was sie plagte, war die dauernde Kälte, die sich immer tiefer in ihr Innerstes hineinfraß. Der Mond hatte wieder zuzunehmen begonnen, und da wurde ihr auch klar, dass sie nun schon fast einen Monat von Fedic aus nach Südosten zogen.
Langsam ersetzte ein verfallenes Dorf die phantastischen Gärten aus Felsnadeln, aber Susannah hatte sich zu Herzen genommen, was Roland gesagt hatte: Sie befanden sich weiter im Ödland, und obwohl sie jetzt gelegentlich auf Straßenschilder stießen, die diese Straße als DES KÖNIGS WEG bezeichneten (natürlich mit dem Auge; das rote Auge fehlte nie), war ihr bewusst, dass sie in Wirklichkeit weiter auf der Ödland-Prachtstraße waren.
Das Dorf war befremdend, und sie konnte sich noch nicht einmal andeutungsweise vorstellen, was für eine sonderbare Spezies hier einst gelebt haben mochte. Die Seitenstraßen waren gepflastert. Die Häuschen waren schmal und steilgieblig; sie besaßen zudem sehr schmale und abnorm hohe Türen, als wären sie für jene lang gezogenen Gestalten erbaut worden, wie man sie in den Zerrspiegeln eines Spiegelkabinetts sehen konnte. Dies waren Lovecraft-Häuser, Clark-Ashton-Smith-Häuser, William-Hope-Hodgson-Grenzlandhäuser, alle unter einer Lee-Brown-Coye-Mondsichel zusammengedrängt: krumme, windschiefe Häuser auf den Hügeln, die sich allmählich zu beiden Seiten der Straße zu erheben begannen. Wo hier und da eines eingestürzt war, hatten die Ruinen ein unangenehm organisches Aussehen angenommen, so als bestünden sie statt aus altem Holz, Dachziegeln und Glas aus zerfetztem und verwesendem Fleisch. Immer wieder bildete Susannah sich ein, in irgendeiner Anordnung aus Brettern und Schatten tote Gesichter zu erkennen: Gesichter, die sich in den Trümmern zu drehen und Rolands und ihren Weg mit grässlichen Zombieaugen zu verfolgen schienen. Sie erinnerten Susannah an den Türsteher in Dutch Hill und ließen sie frösteln.
In der vierten Nacht auf Des Königs Weg erreichten sie eine große Kreuzung, an der die Hauptstraße krumm abbog und mehr nach Süden als nach Osten – und somit vom Pfad des Balkens weg – weiterführte. Vor ihnen, weniger als einen Nachtmarsch entfernt (oder eine Nachtfahrt weit, wenn man zufällig Ho Fats Luxustaxi benutzte), ragte ein hoher Hügel auf, der von einem riesigen schwarzen Schloss gekrönt wurde. Im schwachen Mondschein wirkte es auf Susannah halbwegs orientalisch. Die Türme waren oben ausgebuchtet, als wünschten sie
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