Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
Vom Netzwerk:
deutlich sichtbar.
    »Roland, was …«
    Er machte eine abwehrende Handbewegung, ohne die Augen zu öffnen, und sie verstummte.
    Der Sekundenzeiger beschrieb hastig seinen Kreis, tauchte erst nach unten und stieg dann wieder auf, bis er senkrecht stand. Und als er dort anlangte …
    Roland öffnete die Augen und sagte: »Das war eine Minute. Wahrhaftig eine Minute, so wahr ich unter dem Balken lebe.«
    Sie starrte ihn verblüfft an. »Wie um Himmels willen schaffst du das?«
    Roland schüttelte den Kopf. Er wusste’s nicht. Er wusste nur, dass Cort ihnen gepredigt hatte, sie müssten stets imstande sein, die Zeit im Kopf zu messen, weil man sich auf mechanische Uhren nicht verlassen könne und Sonnenuhren an bewölkten Tagen nun einmal wertlos seien. Oder natürlich um Mitternacht. In einem Sommer hatte er sie in einer unbehaglichen Nacht nach der anderen in den Hain westlich des Schlosses geschickt (und dort draußen war es ziemlich unheimlich, zumindest wenn man allein war, obwohl das natürlich keiner laut gesagt hätte – nicht einmal die Jungen untereinander), bis sie genau pünktlich zu der von Cort festgesetzten Minute auf den Hof hinter dem Großen Saal zurückkehren konnten. Es war merkwürdig, wie jene Uhr im Kopf funktionierte. Anfangs tat sie das natürlich nicht. Und wieder nicht. Und wieder nicht. Dann holte Cort mit seiner schwieligen Hand aus, ließ sie zu einem wuchtigen Schlag herabfallen und knurrte: Grrr, Wurm, heut Abend geht’s zurück in den Wald! Dir scheint’s dort draußen ja mächtig zu gefallen! Aber sobald die Uhr im Kopf dann einmal zu ticken begann, schien sie für immer und ewig richtig zu gehen. Eine Zeit lang hatte Roland diese Fähigkeit zwar eingebüßt gehabt, genau wie die Welt ihre Himmelsrichtungen verloren hatte, aber jetzt war sie wieder da, und das munterte ihn gewaltig auf.
    »Hast du die Minute abgezählt?«, fragte sie. »Einundzwanzig, zweiundzwanzig, irgendwas in der Art?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es einfach. Wann eine Minute vorbei ist – oder eine Stunde.«
    »Red kein’ Stuss!«, sagte sie. »Du hast geraten!«
    »Hätte ich dann nach genau einer Umdrehung des Zeigers gesprochen?«
    »Vielleicht war’s bloß Dusel«, sagte Detta und betrachtete ihn gewitzt, wobei sie ein Auge beinahe, aber nicht ganz schloss, eine Mimik, die Roland nicht ausstehen konnte. (Aber das würde er ihr nie sagen; er wusste, dass Detta ihn sonst bei den Gelegenheiten, bei denen sie sich zeigte, nur damit gepiesackt hätte.)
    »Willst du’s noch mal versuchen?«, fragte er.
    »Nein«, sagte Susannah und seufzte. »Ich glaube dir, dass deine Uhr exakt richtig geht. Was wiederum bedeutet, dass wir dem Dunklen Turm nicht nahe sind. Noch nicht.«
    »Vielleicht nicht so nahe, dass er meine Uhr beeinflussen kann, aber näher, als ich ihm jemals gewesen bin«, sagte Roland ruhig. »Wir sind praktisch bereits in seinem Schatten. Glaub mir, Susannah – ich spreche wahrhaftig.«
    »Aber …«
    Über ihnen war ein Krächzen zu hören, das rau und zugleich eigenartig gedämpft klang: Kruu, kruu! statt kräh, kräh! Susannah hob den Kopf und sah einen der riesigen schwarzen Vögel, die Roland als Schlosskrähen bezeichnete, so tief über sie hinwegfliegen, dass sie die angestrengten Flügelschläge hören konnten. In seinem langen Hakenschnabel trug er einen schlaffen Strang von etwas Gelbgrünem. Susannah erschien es wie ein Stück welker Seetang. Nur nicht ganz verwelkt.
    Sie wandte sich Roland zu und sah ihn aufgeregt an.
    Er nickte. »Teufelsgras. Wahrscheinlich bringt der Vogel es mit, um das Nest seiner Gefährtin damit zu polstern. Bestimmt nicht als Futter für die Kleinen. Nicht dieses Zeug. Aber Teufelsgras sieht man immer als Letztes, wenn man in Nichtlande geht, und immer als Erstes, wenn man herauskommt, so wie wir’s jetzt tun. Wie wir es endlich tun. Hör mich jetzt an, Susannah, ich möchte, dass du mir zuhörst und diese lästige Schlampe Detta in den hintersten Winkel deiner Gedanken verbannst. Zudem möchte ich nicht, dass du meine Zeit damit vergeudest, etwa zu behaupten, sie sei nicht da, wo ich sie doch in deinen Augen die Commala tanzen sehen kann.«
    Susannah wirkte überrascht, dann etwas eingeschnappt, so als wollte sie gleich widersprechen. Aber schließlich sah sie weg, ohne ein Wort zu sagen. Als sie ihn wieder ansah, konnte sie die Gegenwart »dieser lästigen Schlampe«, wie Roland sie genannt hatte, nicht mehr spüren. Und Roland schien sie ebenfalls

Weitere Kostenlose Bücher