Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
sich, sie könnten Minarette sein. Phantastische Laufstege spannten sich zwischen ihnen, kreuzten sich über dem Hof vor dem eigentlichen Schloss. Ein paar dieser Laufstege waren eingestürzt, aber die meisten hielten noch. Außerdem konnte sie ein tiefes, dumpfes Brausen hören. Nicht von Maschinen. Sie fragte Roland danach.
»Wasser«, sagte er.
»Was für Wasser? Hast du eine Idee?«
Er schüttelte den Kopf. »Aber selbst wenn ich am Verdursten wäre, würde ich nichts trinken, was so nahe am Schloss vorbeifließt.«
»Dieser Ort ist des Übels«, murmelte sie und meinte damit nicht nur das Schloss, sondern auch das namenlose Dorf mit den schiefen
(scheel grinsenden)
Häusern, die um sie herum aus dem Boden gewachsen waren. »Und noch etwas, Roland – er ist nicht verlassen.«
»Susannah, wenn du spürst, dass Geister anklopfen, um in deinen Kopf zu gelangen – anklopfen oder sich einschleichen –, dann schick sie einfach fort.«
»Du glaubst, dass das dann funktioniert?«
»Das kann ich nicht so genau sagen«, gab er zu, »aber ich habe gehört, dass man solchen Geistern zuerst Zutritt gewähren muss – dass sie es aber verstehen, sich diese Erlaubnis durch allerlei Listen zu erschleichen.«
Susannah hatte Dracula gelesen und Pere Callahans Geschichte aus Jerusalems Lot gehört, weshalb sie nur zu gut verstand, wie Roland das meinte.
Er fasste sie sanft an den Schultern und drehte sie von dem Schloss weg – das vielleicht nicht von Natur aus schwarz war, hatte sie sich überlegt, sondern nur im Lauf der Jahre dunkel geworden war. Bei Tageslicht würde das besser zu erkennen sein. Gegenwärtig wurde ihr Weg lediglich von einem Viertelmond erhellt, den immer wieder Wolken verdüsterten.
Von der Kreuzung, auf der sie Halt gemacht hatten, führten mehrere Straßen ab, von denen die meisten krumm wie gebrochene Finger waren. Die eine, die Roland ihr zeigte, war jedoch schnurgerade, und Susannah wurde klar, dass dies die einzige ganz gerade Straße war, die sie gesehen hatte, seit das verlassene Dorf sich stumm zu beiden Seiten ihres Wegs erhoben hatte. Sie war nicht mit Steinen gepflastert, sondern hatte einen glatten Straßenbelag und verlief nach Südosten, immer den Pfad des Balkens entlang. Über ihr glitten die vom Mondschein versilberten Wolken wie Boote bei einer Seeprozession dahin.
»Siehst auch du am Horizont einen dunklen Schatten, meine Liebe?«, fragte er.
»Ja. Einen dunklen Schatten mit einem weißlichen Streifen davor. Was ist das? Weißt du das?«
»Ich vermute etwas, aber ich bin mir meiner Sache nicht sicher«, sagte Roland. »Ich schlage vor, dass wir hier rasten. Der Tag ist nicht mehr weit, und dann sehen wir beide mehr. Außerdem möchte ich mich jenem Schloss nicht nachts nähern.«
»Wenn der Scharlachrote König fort ist und der Pfad des Balkens dort drüben liegt …« Sie zeigte die gerade Straße entlang. »Wozu müssen wir dann überhaupt in sein verdammtes altes Schloss gehen?«
»Zum einen, um festzustellen, dass er wirklich fort ist«, sagte Roland. »Und vielleicht schaffen wir es auf diese Weise auch, den hinter uns in eine Falle zu locken. Was ich zwar bezweifle – er ist schlau –, aber die Möglichkeit besteht. Er ist auch jung, und die Jugend ist nun einmal gelegentlich leichtsinnig.«
»Du würdest ihn umbringen?«
Rolands Lächeln wirkte im Mondschein eisig. Unbarmherzig. »Ohne einen Moment zu zögern«, sagte er.
8
Am Morgen wachte Susannah zwischen den hinten in der Rikscha verstreuten Vorräten aus einem unruhigen Halbschlaf auf und sah Roland, wie er auf der Kreuzung stand und den Pfad des Balkens hinabblickte. Sie stieg ab und bewegte sich dabei sehr vorsichtig. Sie war über Nacht steif geworden und wollte nicht fallen. Die Knochen in ihrem Fleisch stellte sie sich als etwas Kaltes und Sprödes vor: Glasknochen, die leicht zersplittern konnten.
»Was siehst du?«, fragte Roland sie. »Was siehst du dort vorn, nachdem es nun hell ist?«
Das weißliche Band war Schnee, was sie angesichts der Tatsache, dass dort Bergland lag, nicht überraschte. Was sie jedoch überraschte – und ihr Herz mehr erfreute, als sie je für möglich gehalten hätte –, waren die Bäume oberhalb des Schneestreifens. Grüne Tannen. Lebende Bäume.
»Oh, Roland, sie sehen herrlich aus!«, sagte sie. »Selbst mit dem unteren Stamm im Schnee sehen sie wundervoll aus! Findest du nicht auch?«
»Ja«, sagte er nur. Er hob sie hoch und drehte sich mit ihr in
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