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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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klang er fragend. Susannah wurde plötzlich klar, dass der arme Junge vor ängstlicher Erwartung beinahe starb, und konnte man ihm das verdenken? Er hatte gerade seine erste Auftragsarbeit fertig gestellt und wollte nun wissen, was seine Patrona dell’arte davon dachte.
    »Das Bild ist großartig, Patrick – Spitze!«
    »Ja«, stimmte Roland zu, indem er nach dem hingehaltenen Zeichenblock griff. Er fand, dass die Tür genau wie die aussah, auf die er gestoßen war, als er vom giftigen Biss des Monsterhummers im Sterben lag und im Delirium über den Strand des Westlichen Meeres getorkelt war. Es war, als hätte dieses arme zungenlose Geschöpf ihm in den Kopf geblickt und darin ein richtiges Bild der Tür gesehen – eine Fottergrafie.
    Susannah sah sich inzwischen verzweifelt um. Als sie sich auf ihre Hände gestützt der Grenze des Feuerscheins näherte, musste Roland sie scharf zurückrufen, sie daran erinnern, dass dort draußen Mordred lauern konnte – und dass die Dunkelheit Mordreds Verbündete war.
    Trotz ihrer Ungeduld kehrte sie sofort in den Feuerschein zurück, weil sie sich nur allzu gut daran erinnerte, was Mordreds leiblicher Mutter zugestoßen und wie schnell das alles passiert war. Trotzdem schmerzte dieser Rückzug, tat fast körperlich weh. Roland hatte ihr mitgeteilt, dass er damit rechne, gegen Ende des kommenden Tages den ersten Blick auf den Dunklen Turm werfen zu können. Wenn sie dann noch bei ihm war, sah sie den Turm mit ihm, konnte seine Macht – sein Glammer – sich als zu stark für sie erweisen. Hätte sie sich jetzt zwischen Tür und Turm entscheiden müssen, hätte sie vorerst weiterhin die Tür gewählt, das wusste sie. Aber wenn sie dem Turm näher kamen und seine Macht gewaltiger, sein Pulsieren in ihrem Verstand tiefer und zwingender, die singenden Stimmen immer lieblicher wurden, würde es zunehmend schwieriger werden, sich für die Tür zu entscheiden.
    »Ich sehe sie nicht«, sagte sie verzweifelt. »Vielleicht habe ich mich ja getäuscht. Wahrscheinlich gibt es eben keine verdammte Tür. Ach, Roland …«
    »Ich glaube nicht, dass du dich getäuscht hast«, sagte Roland. Er sprach mit erkennbarem Widerstreben, aber wie ein Mann, der eine Aufgabe zu erfüllen oder eine Schuld zu begleichen hatte. Und er war dieser Frau tatsächlich etwas schuldig, wie er vermutete, hatte er sie denn nicht praktisch am Kragen gepackt und in diese Welt gezogen, wo sie die Kunst des Tötens gelernt und sich verliebt hatte, nur um dann als Witwe zurückzubleiben? War nicht er es, der sie in ihren gegenwärtigen Kummer entführt hatte? Irgendwie war er moralisch dazu verpflichtet, das wieder gutzumachen. Sein Wunsch, sie bei sich zu behalten – sogar um den Preis ihres Lebens –, war rein selbstsüchtig und damit letztlich seiner Ausbildung unwürdig.
    Vor allem war es dessen unwürdig, wie sehr er sie lieben und achten gelernt hatte. Das wenige an Herz, was er noch besaß, brach fast beim Gedanken daran, ihr Lebewohl sagen zu müssen – der Letzten seines merkwürdigen und wundervollen Ka-Tet –, aber wenn sie das wollte, wenn sie das brauchte, musste er es tun. Und er glaubte auch, es zu können, war ihm an der Zeichnung des Jungen doch etwas aufgefallen, was Susannah übersehen hatte. Nicht etwas, was dargestellt war, sondern etwas, was darauf fehlte.
    »Sieh nur«, sagte er sanft, indem er ihr das Bild zeigte. »Siehst du, wie er sich dir zu Gefallen angestrengt hat, Susannah?«
    »Ja!«, sagte sie. »Ja, das sehe ich natürlich, aber …«
    »Für dieses Bild hat er zehn Minuten gebraucht, schätze ich mal, und dabei sind die meisten seiner wundervollen Zeichnungen sonst das Werk von drei oder vier Minuten, hab ich Recht?«
    »Ich verstehe dich nicht!« Sie schrie ihn fast an.
    Patrick zog Oy an sich, schlang einen Arm um den Bumbler und starrte dabei Susannah und Roland mit großen, verstört blickenden Augen an.
    »Er hat sich so sehr angestrengt, dir das zu geben, was du möchtest, dass er nur die Tür gezeichnet hat. Sie steht ganz allein auf dem Papier. Sie hat keinen …«
    Er suchte das richtige Wort. Vannays Geist flüsterte es ihm trocken ins Ohr.
    »Sie hat keinen Kontext!«
    Susannah wirkte noch einige Sekunden lang verwirrt, dann leuchtete in ihrem Blick Verstehen auf. Roland zögerte jedoch nicht lange; er legte Patrick einfach seine gesunde Hand auf die Schulter und forderte ihn auf, die Tür hinter Susannahs elektrisches Dreirad zu stellen, dem sie den Namen Ho Fat III

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