Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
nehmen, dass es so weit gekommen sei. Susannah hob eine Faust an die Stirn und dankte ihm groß-groß. In Wirklichkeit traute sie dem guten alten DNK 45932 nicht so recht über den Weg, obwohl sie wahrhaftig keinen Grund dafür hätte angeben können. Vielleicht war das nur ein Überbleibsel aus ihrer Zeit in Calla Bryn Sturgis, als ein Nigel recht ähnlicher Roboter sich in der Tat als ein widerlicher, nachtragender Bursche erwiesen hatte. Und etwas anderes kam auch noch dazu.
Ich sehe was, was du nicht siehst, dachte Susannah.
»Streck deine Hände aus, Nigel.«
Der Roboter gehorchte, und alle konnten die in den Gelenken der Stahlfinger eingeklemmten borstigen Haare sehen. Und einen Tropfen Blut an einem … würde man das als Fingerknöchel bezeichnen? »Was ist das?«, fragte sie und hielt mehrere der Haare hoch.
»Es tut mir Leid, Mutter, ich kann nichts …«
Konnte nichts sehen. Nein, natürlich nicht. Nigel besaß zwar Infrarotsensoren, aber sein eigentliches Sehvermögen war futsch – dank Susannah Dean, Tochter des Dan, Revolvermann im Ka-Tet der Neunzehn.
»Das sind Haare. Außerdem erkenne ich etwas Blut.«
»Äh, ja«, sagte Nigel. »Ratten in der Küche, Mutter. Ich bin dafür programmiert, Ungeziefer zu vertilgen, wenn ich es entdecke. Heutzutage gibt es davon sehr viel, wie ich leider sagen muss; die Welt bewegt sich weiter.« Und dann mit ruckartig nach links geworfenem Kopf: »Un, deux, trois! Minnie Mouse est la mouse pour moi!«
»Hm … hast du Minnie und Micky abgemurkst, bevor oder nachdem du die Sandwiches gemacht hast, Nigel, alter Kumpel?«, fragte Eddie.
»Danach, Sai, das versichere ich Ihnen.«
»Na, dann verzichte ich vielleicht lieber«, sagte Eddie. »Ich habe in Maine noch einen Poorboy gegessen, der liegt mir sowieso wie ein Motherfucker im Magen.«
»Du solltest un, deux, trois sagen«, erklärte Susannah ihm. Diese Worte waren heraus, bevor sie wusste, dass sie sie sagen würde.
»Erflehe deine Verzeihung?« Eddie saß neben ihr und hatte einen Arm um sie gelegt. Seit die vier wieder zusammen waren, berührte er Susannah bei jeder Gelegenheit, so als müsste er sich ständig von der Tatsache überzeugen, dass sie mehr als nur Wunschdenken war.
»Nichts.« Später, wenn Nigel entweder draußen oder völlig defekt war, würde Susannah ihnen von ihrer Intuition erzählen. Sie vermutete nämlich, dass Roboter des Typs, zu dem Nigel und Andy gehörten, wie jene in den Isaac-Asimov-Kurzgeschichten, die sie als Teenager gelesen hatten, nicht lügen durften. Andy war möglicherweise modifiziert worden oder hatte sich sogar selbst so modifiziert, dass das kein Problem für ihn darstellte. Für Nigel jedoch, so vermutete sie, stellte es in der Tat noch ein Problem dar: Könnt ihr Problem groß-groß sagen. Sie hatte den Eindruck, dass Nigel im Gegensatz zu Andy im Grunde genommen gutherzig war, aber trotzdem hatte er in Bezug auf die Ratten in der Speisekammer entweder gelogen oder zumindest nicht ganz die Wahrheit gesagt. Möglicherweise auch in Bezug auf andere Dinge. Eins, zwei, drei und Un, deux, trois schienen seine Methode zu sein, etwas Überdruck abzulassen. Jedenfalls fürs Erste.
Das war Mordred, dachte Susannah mit einem Blick in die Runde. Sie nahm sich ein Sandwich, weil sie etwas essen musste – wie Jake war auch sie richtiggehend heißhungrig –, obwohl ihr Appetit dahin war. Sie wusste, dass sie das, was sie grimmig in sich hineinstopfte, nicht genießen würde. Er hat Nigel zugesetzt, und jetzt beobachtet er uns von irgendwoher. Ich weiß es … Ich spüre es.
Und als sie den ersten Bissen von irgendeinem lange konservierten, vakuumverpackten Kunstfleisch nahm:
Eine Mutter weiß immer alles.
3
Niemand wollte im Extraktionsraum (obwohl sie dort unter dreihundert und mehr frisch bezogenen Betten hätten wählen können) oder außerhalb in der verlassenen Stadt schlafen, weshalb Nigel sie in seine Unterkunft mitnahm, wobei er unterwegs ab und zu stehen blieb, um heftig den Kopf zu schütteln, damit er wieder klar denken konnte, und auf Deutsch oder Französisch zu zählen. Außerdem fügte er jetzt Zahlen in einer anderen Sprache an, die keiner von ihnen kannte.
Ihr Weg führte sie durch eine Küche – überall Edelstahl und ruhig summende Maschinen, ganz anders als die uralte Küche, die Susannah flitzenderweise unter Schloss Discordia besucht hatte –, und obwohl sie das bescheidene Häufchen Abfälle der Mahlzeit sahen, die Nigel für sie
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