Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Andolini gelassen. »Ist nicht meine Aufgabe zu wissen, was er denkt. Er weiß, du hattest seine Ware, als du die Inseln verlassen hast, er weiß, der Zoll hat dich geschnappt und wieder laufen lassen, er weiß, du bist hier und nicht auf dem Weg ins Rikers, und daher weiß er, seine Ware muß irgendwo sein.«
»Und er weiß auch, daß der Zoll noch an mir klebt wie der Gummianzug an einem Taucher, weil Sie es wissen und ihm eine Art kodierte Nachricht über den Funk des Lieferwagens geschickt haben. So etwas wie ›Doppelte Portion Käse, keine Sardellen‹, richtig, Jack?«
Jack Andolini sagte nichts und sah gelassen drein.
»Aber sie haben ihm nur etwas gesagt, das er ohnehin schon wußte. Als würde man die Punkte eines Strichbilds verbinden, nachdem man schon gesehen hat, was es ist.«
Andolini stand im goldenen Licht des Sonnenuntergangs, das langsam hochofenorange wurde, sah weiter gelassen aus und sagte kein einziges Wort.
»Er denkt, sie haben mich umgekrempelt. Er denkt, sie benützen mich. Er denkt, ich sei dumm genug, mich benützen zu lassen. Kann ich ihm eigentlich nicht verdenken. Ich meine, warum nicht? Ein Fixer wird alles tun. Möchtest du nachsehen, ob ich eine Wanze habe?«
»Ich weiß, daß du keine hast«, sagte Andolini. »Ich habe etwas im Wagen. Ähnlich wie ein Störsender, nur fängt es kurze Funkübertragungen auf. Und was mich betrifft, ich glaube nicht, daß du für die Bullen arbeitest.«
»Ach ja?«
»Ja. Also steigen wir jetzt in den Lieferwagen und fahren wir in die Stadt, oder was?«
»Habe ich eine Wahl?«
Nein, sagte Roland in seinem Kopf.
»Nein«, sagte Andolini.
Eddie kam mit zum Lieferwagen. Der Junge mit dem Basketball stand immer noch auf der anderen Straßenseite.
»Verschwinde von hier, Junge«, sagte Eddie. »Du bist nie hier gewesen, du hast nichts und niemanden gesehen. Verpiß dich.«
Der Junge lief weg.
Col grinste ihn an.
»Rutsch rüber, Kumpel«, sagte Eddie.
»Ich finde, du solltest in der Mitte sitzen, Eddie.«
»Rutsch rüber«, wiederholte Eddie. Col sah ihn an, dann Andolini, der ihn aber nicht ansah, sondern lediglich die Fahrertür schloß und gelassen geradeaus sah wie Buddha an seinem freien Tag und es ihnen überließ, die Sitzordnung auszuarbeiten. Col sah Eddie noch einmal ins Gesicht und beschloß dann zu rutschen.
Sie fuhren nach New York – und obwohl der Revolvermann (der lediglich staunend noch größere und anmutigere Bauwerke betrachten konnte, und Brücken, die einen breiten Fluß wie stählerne Spinnweben überspannten, und Luftgefährte mit Rotoren, die wie seltsame, von Menschenhand geschaffene Insekten oben schwebten) es nicht wußte, war der Ort, zu dem sie fuhren, der Turm.
9
Enrico Balazar glaubte – wie Andolini – nicht, daß Eddie Dean für die Bundesbehörde arbeitete; Balazar wußte es, wie Andolini.
Die Bar war leer. Auf dem Schild an der Tür stand HEUTE ABEND GESCHLOSSEN. Balazar saß in seinem Büro und wartete darauf, daß Andolini und Col Vincent mit dem jungen Dean zurückkamen. Seine beiden persönlichen Leibwächter, Claudio Andolini, Jacks Bruder, und ‘Cimi Dretto, waren bei ihm. Sie saßen auf dem Sofa links von Balazars großem Schreibtisch und sahen fasziniert zu, wie das Kartenhaus, das Balazar baute, wuchs. Die Tür war offen. Hinter der Tür folgte ein kurzer Flur. Rechts führte er in den rückwärtigen Teil der Bar und die anschließende kleine Küche, wo ein paar einfache Nudelgerichte zubereitet wurden. Links befand sich das Büro der Buchhaltung und das Lager. In der Buchhaltung saßen drei weitere von Balazars ›Herren‹ – wie sie genannt wurden – und spielten mit Henry Dean Trivial Pursuit.
»Okay«, sagte George Biondi, »das ist wieder eine leichte, Henry. Henry? Bist du da, Henry? Erde an Henry, die Erdenmenschen brauchen dich. Bitte kommen, Henry. Ich wiederhole: Bitte kommen, H…«
»Ich bin da, ich bin da«, sagte Henry. Seine Stimme war die undeutliche, nuschelnde Stimme eines Mannes, der noch schläft, seiner Frau aber sagt, daß er wach ist, damit sie ihn noch fünf Minuten in Ruhe läßt.
»Okay. Es handelt sich um die Rubrik Kunst und Unterhaltung. Die Frage lautet… Henry? Schlaf mir verdammt noch mal nicht ein, Arschloch!«
»Ich schlafe nicht!« schrie Henry quengelig zurück.
»Okay. Die Frage lautet: ›Welcher ungeheuer populäre Roman von William Peter Blatty, der im vornehmen Vorort Georgetown in Washington D. C. spielt, handelt von der
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