Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
nichts anderes. Und außerdem schmecken sie ziemlich gut. Ich habe einen pro Nacht geschossen, jedesmal wenn die Sonne kurz vor dem Untergehen war. Sie werden erst richtig lebhaft, wenn es vollkommen dunkel geworden ist. Ich habe nicht gesehen, daß du das Fleisch abgelehnt hättest.«
Eddie lächelt.
»Ich stelle mir gerne vor, ich hätte eins von denen erwischt, die Jack gefressen haben. Der Gedanke, daß ich diesen Pisser esse, gefällt mir. Weißt du, es beruhigt mich irgendwie.«
»Eines von ihnen hat auch Teile von mir gegessen«, krächzt der Revolvermann. »Zwei Finger, einen Zeh.«
»Das ist auch cool«, sagt Eddie und lächelt weiter. Sein Gesicht ist bleich, haifischähnlich… aber das kranke Aussehen ist teilweise verschwunden, und der Geruch von Scheiße und Tod, der ihn wie ein Leichentuch eingehüllt hat, scheint sich zu verziehen.
»Scheiß auf dich«, krächzt der Revolvermann.
»Roland zeigt gute Laune!« ruft Eddie. »Vielleicht wirst du doch nicht sterben! Liiiiebling! Ich finde, das ist wunnebar!«
»Leben«, sagt Roland. Das Krächzen ist wieder zum Flüstern geworden. Die Angelhaken sind wieder in seinem Hals.
»Ja?« Eddie sieht ihn an, nickt und beantwortet dann seine eigene Frage. »Ja, ich glaube, es ist dein Ernst. Einmal habe ich gedacht, du stirbst, und einmal, du wärst schon gestorben. Jetzt sieht es so aus, als würde es besser werden. Die Antibiotika helfen wohl, schätze ich, aber ich finde, du richtest dich weitgehend selbst auf. Wozu? Warum bemühst du dich verdammt noch mal so sehr, an diesem gottverlassenen Strand am Leben zu bleiben?«
Turm, formt er mit dem Mund, denn jetzt kann er nicht einmal mehr krächzen.
»Du und dein Scheißturm«, sagt Eddie und will sich abwenden, aber dann dreht er sich überrascht wieder um, als Rolands Hand seinen Arm wie einen Schraubstock umklammert.
Sie sehen einander in die Augen, und Eddie sagt: »Schon gut! Schon gut!«
Norden, formt der Revolvermann. Norden, ich habe es dir gesagt. Hat er ihm das gesagt? Er glaubt es, aber es ist verschüttet. Beim Mischen verschüttet.
»Woher weißt du das?« schreit Eddie ihn in plötzlicher Frustration an. Er hebt die Fäuste, als wolle er Roland schlagen, dann senkt er sie wieder.
Ich weiß es einfach – warum also vergeudest du meine Zeit und Energie mit albernen Fragen? will er antworten, aber bevor er das kann, sind die Karten wieder am
mischen
wird fortgeschleppt, poltert und holpert, sein Kopf rollt hilflos von einer Seite auf die andere, er ist mit seinen eigenen Revolvergurten auf eine unheimliche Art von travois geschnallt, und er kann Eddie Dean ein Lied singen hören, das ihm so unheimlich bekannt ist, daß er zuerst denkt, es muß ein Traum im Delirium sein.
»Heyy Jude… don’t make it bad… take a saaad song… and make it better…«
Wo hast du das gehört? will er fragen. Hast du gehört, wie ich es gesungen habe, Eddie? Und wo sind wir?
Aber bevor er etwas fragen kann
mischen
Cort würde dem Jungen den Schädel einschlagen, wenn er diese Tragbahre sehen könnte, denkt Roland und betrachtet die travois, auf der er den Tag verbracht hat, und er lacht. Kein besonderes Lachen. Es hört sich an wie eine der Wellen, die ihre Kieselsteinlast am Strand ablädt. Er weiß nicht, wie weit sie gekommen sind, auf jeden Fall so weit, daß Eddie vollkommen ausgepumpt ist. Er sitzt im Licht der Dämmerung auf einem Felsen und hat einen Revolver des Revolvermanns im Schoß und einen halbvollen Wasserschlauch an der Seite. Seine Hemdentasche ist leicht gewölbt. Das sind die Patronen aus dem Rückenteil der Gurte, der schwindende Vorrat ›guter‹ Patronen. Diese hat Eddie in ein Stück seines eigenen Hemdes eingewickelt. Der Hauptgrund, weshalb der Vorrat an ›guten‹ Patronen so schnell schwindet, ist der, daß sich auch davon jede vierte oder fünfte als Lusche erwiesen hat.
Eddie, der beinahe eingenickt ist, sieht auf. »Worüber lachst du?« fragt er.
Der Revolvermann winkt abwehrend mit der Hand und schüttelt den Kopf. Ihm ist klar geworden, daß er sich geirrt hat. Cort hätte Eddie wegen dieser travois nicht den Kopf eingeschlagen, auch wenn sie ein komisches, erbärmlich aussehendes Ding war. Roland hielt es sogar für möglich, daß Cort ein Wort der Anerkennung gegrunzt haben würde – was so selten vorkam, daß der Junge, dem es galt, meist nicht wußte, wie er darauf reagieren sollte; er stand mit offenem Mund da, wie ein Fisch, der
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