Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Er stand mit gespreizten kurzen Beinchen so da, dass er mit dem Bauch beinahe den Höhlenboden berührte, während sein gesträubtes Fell ihn fast doppelt so groß wie sonst erscheinen ließ.
Roland beugte sich über Sheemie, stützte die Unterarme auf den mit Gesteinsschutt bedeckten Höhlenboden und brachte seinen Mund dicht an Sheemies Ohr heran. Er begann etwas zu murmeln. Susannah verstand nur sehr wenig davon, weil der Rod in seinem Falsett weiterbrabbelte, aber sie konnte Will Dearborn, der einst war heraushören und alles ist gut und – glaubte sie jedenfalls – ausruhen.
Was immer Roland auch sagte, es schien zu Sheemie durchzudringen. Er entkrampfte sich nach und nach. Susannah beobachtete, wie Dinky die Knöchel des ehemaligen Saloonjungen nur noch locker umfasste, sich aber weiterhin bereithielt, wieder fest zuzupacken, sollte Sheemie abermals zu strampeln anfangen. Auch die Gesichtsmuskeln entkrampften sich, und Sheemie biss nicht mehr zu. Das Stück Holz, das noch leicht von den oberen Schneidezähnen gehalten wurde, schien zu schweben. Susannah zog es sanft weg und betrachtete dann erstaunt die blutgeränderten Bisslöcher in dem weichen Holz, manche bestimmt einen ganzen Zentimeter tief. Sheemie hing die Zunge seitlich aus dem Mund, was Susannah daran erinnerte, wie Oy immer zur Siestazeit aussah, wenn er auf dem Rücken schlafend alle viere von sich streckte.
Jetzt war nur noch das an einen Versteigerer erinnernde Plappern des Rod und das leise Knurren tief in Oys Kehle zu hören. Der Bumbler stand schützend neben Jake und beobachtete den Neuankömmling mit zusammengekniffenen Augen.
»Halt die Klappe und sei still«, befahl Roland dem Rod und fügte dann noch etwas in einer anderen Sprache hinzu.
Der Rod erstarrte mitten in einer weiteren Verbeugung, ließ die Hände über den Kopf erhoben und glotzte Roland an. Eddie sah, dass ein nässendes Geschwür, rot wie eine Erdbeere, eine Seite der Nase weggefressen hatte. Der Rod bedeckte nun die Augen mit verschorften, schmutzigen Händen, als würde ihn die Erscheinung des Revolvermanns blenden, und sank auf die Seite. Er zog die Knie bis zur Brust hoch und ließ dabei einen lauten Furz hören.
»Harpo spricht«, sagte Eddie, was flott und witzig genug war, um Susannah zum Lachen zu bringen. Danach herrschte Stille bis auf das Heulen des Windes außerhalb der Höhle, den schwachen Klang der Hintergrundmusik aus dem Devar-Toi und das ferne Donnergrollen, jenes Geräusch rollender Knochen.
Fünf Minuten später öffnete Sheemie die Augen, setzte sich auf und sah sich mit der verwirrten Miene eines Menschen um, der weder wusste, wo er war, noch wie er dort hingekommen war, noch weshalb. Dann fiel sein Blick auf Roland, und ein Lächeln ließ sein armes, müdes Gesicht aufleuchten.
Roland erwiderte es und breitete die Arme aus. »Kannst du zu mir kommen, Sheemie? Sonst komme ich gewisslich zu dir.«
Sheemie, dem das dunkle, schmutzige Haar ins Gesicht hing, kroch auf allen vieren zu Roland von Gilead hinüber und legte ihm seinen Kopf auf die Schulter. Susannah fühlte Tränen in ihren Augen brennen und sah beiseite.
2
Irgendwann kurze Zeit später saß Sheemie an die Höhlenwand gelehnt auf der Decke, die »Suzies Dreirad-Cruiser« bedeckt hatte und ihm jetzt zusammengelegt als Polster für Kopf und Rücken diente. Eddie hatte ihm eine Limonade angeboten, aber Ted hatte gemeint, Wasser sei wohl besser. Nachdem Sheemie die erste Flasche Perrier in einem Zug geleert hatte, trank er jetzt mit kleinen Schlucken eine zweite Flasche. Die anderen tranken Pulverkaffee, nur Ted nicht; er hatte sich eine Dose Nozz-A-La genommen.
»Mir ein Rätsel, wie du dieses Zeug aushalten kannst«, sagte Eddie.
»Die Geschmäcker sind verschieden, sagte die alte Jungfer, als sie die Kuh küsste«, antwortete Ted.
Nur das Kind von Roderick wollte nichts. Der Ärmste blieb am Höhleneingang liegen und hielt sich weiter mit beiden Händen fest die Augen zu. Er zitterte leicht.
Ted hatte Sheemie zwischen der ersten und zweiten Flasche Wasser kurz untersucht, den Puls gemessen, ihm in den Mund gesehen und den Schädel nach weichen Stellen abgetastet. Immer wenn er gefragt hatte, ob denn etwas wehtue, hatte Sheemie den Kopf geschüttelt, ohne Roland während dieser Untersuchung auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen. Nachdem Ted auch noch die Rippen abgetastet hatte (»Kitzelt, Sai, das tut’s«, meinte Sheemie darauf mit einem Lächeln),
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