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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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stillstehen können. Vielleicht tut sie das ja auch, dachte Roland. Er hatte in seinem Leben genug gesehen, um das für möglich zu halten. Alles war möglich.
    »Ich habe den Balken verloren«, sagte King von der Stelle aus, wo er auf dem Nadelteppich am Rand des Wäldchens lag. Frühsommerliches Licht hüllte ihn ein, jener Dunst aus Grün und Gold.
    Roland griff mit beiden Händen unter King und half ihm, sich aufzusetzen. Der Schriftsteller schrie vor Schmerzen auf, weil die Kugel seines rechten Hüftgelenks sich an den zertrümmerten, komprimierten Resten der Gelenkpfanne rieb, aber er protestierte nicht. Roland zeigte zum Himmel. Dicke weiße Schönwetterwolken – los ángeles, so hatten die Cowboys von Mejis sie genannt – hingen unbeweglich im Himmelsblau, nur die unmittelbar über ihnen nicht. Diese segelten, wie von einem schmalen Luftstrom angetrieben, in zügigem Tempo über den Himmel.
    »Da!«, flüsterte Roland dem Schriftsteller wütend ins abgeschürfte, mit Schmutz verstopfte Ohr. »Gleich über Euch! Überall um Euch herum! Fühlt Ihr ihn nicht? Seht Ihr ihn nicht?«
    »Doch«, sagte King. »Jetzt sehe ich ihn.«
    »Aye, und er war immer da. Ihr habt ihn nicht verloren, Ihr habt nur Euer feiges Auge abgewandt. Mein Freund musste Euch retten, damit Ihr ihn wieder seht.«
    Roland tastete mit der linken Hand nach der Gürteltasche und holte eine Patrone hervor. Anfangs wollten seine Finger den alten, flinken Trick nicht so recht vorführen; sie zitterten zu stark. Er konnte sie nur zur Ruhe zwingen, indem er sich daran erinnerte, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie unterbrochen wurden oder Jake starb, während er mit dieser elenden Karikatur von einem Mann beschäftigt war, umso größer war, je länger er für diese Sache brauchte.
    Er blickte auf und sah, dass die Frau den Fahrer des Unfallwagens mit seiner Waffe bedrohte. Das war gut. Sie war gut; warum hatte Gan die Geschichte mit dem Turm nicht jemandem wie ihr aufgebürdet? Jedenfalls hatte sein Gefühl, sie lieber bei sich zu behalten, sich als richtig erwiesen. Auch der Höllenlärm, den die Hunde und der Bumbler gemacht hatten, war inzwischen verstummt. Oy leckte Jake den öligen Schmutz vom Gesicht, während Pistol und Bullet im Van das Hackfleisch verschlangen, ohne jetzt von ihrem Herrchen gestört zu werden.
    Roland wandte sich wieder King zu, und die Patrone vollführte ihren alten geschickten Tanz über die Fingerrücken. King war fast augenblicklich weg, wie das auch bei den meisten Leuten geschah, die schon einmal hypnotisiert worden waren. Die Augen blieben offen, aber jetzt schienen sie durch den Revolvermann hindurchzusehen, etwas Entferntes zu fixieren.
    Rolands Herz schrie, er solle diese Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, aber sein Kopf wusste es besser. Du darfst nicht pfuschen. Außer du willst Jakes Opfer wertlos machen.
    Die Frau sah ihn ebenso an wie der Fahrer des Minivans, der nun in der offenen Tür seines Fahrzeugs saß. Sai Tassenbaum wehrte sich dagegen, das merkte Roland, aber Bryan Smith war Stephen King ins Land des Schlafs gefolgt. Was den Revolvermann nicht sonderlich überraschte. Hätte der Kerl auch nur im Entferntesten geahnt, was er hier angerichtet hatte, hätte er bestimmt jede Fluchtmöglichkeit genutzt. Selbst eine nur vorläufige.
    Der Revolvermann konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann, der – so musste man ihn wohl bezeichnen – sein Biograf war. Er begann genau wie damals. In seinem Leben bedeutete das: vor einigen Tagen. In dem des Schriftstellers: vor über zwei Jahrzehnten.
    »Stephen King, siehst du mich?«
    »Heil, Revolvermann, ich sehe dich sehr wohl.«
    »Wann hast du mich zuletzt gesehen?«
    »Als wir in Bridgton gewohnt haben. Als die Kinder noch klein waren. Als ich noch gelernt habe, wie man schreibt.« Eine Pause, dann nannte er Roland etwas, das für ihn die wichtigste Zeitmarke war, etwas, das bei jedem Mann anders war: »Als ich noch getrunken habe.«
    »Schläfst du jetzt tief?«
    »Tief.«
    »Du hast keine Schmerzen mehr?«
    »Keine mehr, ja. Ich danke dir.«
    Der Billy-Bumbler heulte wieder auf. Roland sah sich um und hatte schrecklich Angst davor, was das bedeuten könnte. Die Frau war zu Jake gegangen und kniete jetzt neben ihm. Roland war erleichtert, als er sah, dass Jake ihr einen Arm um den Hals legte und sie zu sich herabzog, um in ihr Ohr sprechen zu können. Wenn er kräftig genug war, das zu tun …
    Schluss damit! Du hast gesehen,

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