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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wie der Brustkorb unter seinem Hemd eingedrückt ist! Du kannst es dir nicht leisten, Zeit für Hoffnung zu vergeuden.
    Roland war das Opfer eines grausamen Paradoxes: Weil er Jake liebte, musste er Jakes Sterbebegleitung Oy und einer Frau überlassen, der sie erst vor weniger als einer Stunde zum ersten Mal begegnet waren.
    Nicht zu ändern. Er hatte jetzt mit King zu reden. Wenn Jake die Lichtung betrat, während er ihm den Rücken zukehrte … Wenn das Ka es so will, lass es geschehen.
    Roland nahm seinen ganzen Willen und all seine Konzentration zusammen. Er fokussierte sie in einem Brennpunkt, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Schriftsteller zu. »Bist du Gan?«, fragte er abrupt, ohne zu wissen, was ihm diese Frage eingegeben hatte. Er wusste nur, dass es die richtige Frage war.
    »Nein«, sagte King sofort. Von der Platzwunde auf seiner Stirn lief ihm das Blut in den Mund. Er spuckte es aus, ohne auch nur zu blinzeln. »Ich habe mich mal für ihn gehalten, aber das war nur der Suff. Und Stolz, nehme ich an. Kein Schriftsteller ist Gan – kein Maler, kein Bildhauer, kein Komponist. Wir sind Kas-ka Gan. Nicht Ka-Gan, sondern Kas-ka. Gan. Verstehst du? Weißt du, was ich meine?«
    »Ja«, sagte Roland. Propheten oder Sänger von Gan: dieses Wort konnte eines davon oder beides bedeuten. Und er wusste jetzt auch, weshalb er das gefragt hatte. »Und das Lied, das du singst, ist Ves’- Ka Gan. Hab ich Recht?«
    »O ja!«, sagte King und lächelte. »Das Lied der Schildkröte. Viel zu lieblich für jemanden wie mich, der kaum tonrein singen kann.«
    »Das ist mir egal«, sagte Roland. Er dachte so schnell und klar, wie sein benommener Verstand es zuließ. »Und nun bist du bei einem Unfall verletzt worden.«
    »Bin ich gelähmt?«
    »Keine Ahnung.« Ist mir auch egal. »Ich weiß nur, dass du am Leben bleiben wirst, und wenn du wieder schreiben kannst, wirst du wie früher aufs Lied der Schildkröte, Ves’-Ka Gan, hören. Gelähmt oder nicht. Und diesmal wirst du singen, bis das Lied zu Ende ist.«
    »Also gut.«
    »Du wirst …«
    »Und Urs-Ka Gan, das Lied des Bären«, unterbrach King ihn. Dann schüttelte er den Kopf, obwohl ihm das selbst in der Hypnose sichtlich Schmerzen bereitete. »Urs-A-Ka Gan.«
    Der Ruf des Bären? Der Schrei des Bären? Roland wusste nicht, was hier gemeint war. Er würde hoffen müssen, dass es keine Rolle spielte, dass es nicht mehr als die Wortklauberei eines Schriftstellers war.
    Ein Wohnwagengespann passierte den Unfallort, ohne langsamer zu werden, dann rasten zwei schwere Motorräder in Gegenrichtung vorbei. Und Roland hatte eine eigenartig überzeugende Idee: Die Zeit war nicht stehen geblieben, aber sie waren vorläufig nur verschwommen sichtbar. So wurden sie von dem Balken beschützt, der nicht mehr angegriffen wurde und ihnen deshalb helfen konnte, zumindest ein wenig.
     
     

4
     
    Erklär’s ihm noch mal. Es darf kein Missverständnis geben. Und kein Schwachwerden, wie er zuvor schwach geworden ist.
    Er beugte sich hinunter und brachte sein Gesicht so dicht an das von King heran, dass sie sich fast mit der Nase berührten. »Diesmal singst du, bis das Lied zu Ende ist, und schreibst, bis die Geschichte aus ist. Hast du wirklich und wahrhaftig verstanden?«
    »Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr seliges Ende«, sagte King verträumt. »Ich wollte, ich könnte das schreiben.«
    »Ich auch.« Das wünschte er sich – mehr als irgendetwas anderes. Trotz seines Kummers kamen noch keine Tränen; seine Augen fühlten sich wie heiße Steine in seinem Kopf an. Vielleicht würden die Tränen später kommen, wenn die Wahrheit dessen, was hier geschehen war, Gelegenheit gehabt hatte, etwas einzusinken.
    »Ich tue, was du sagst, Revolvermann. Unabhängig davon, wie die Geschichte sich entwickelt, wenn die Seiten dünn werden.« Auch Kings Stimme wurde jetzt dünn. Roland glaubte, dass der Mann bald das Bewusstsein verlor. »Tut mir Leid um deine Freunde, tut mir aufrichtig Leid.«
    »Danke«, sagte Roland, der weiter gegen den Drang ankämpfen musste, die Hände um den Hals des Schriftstellers zu legen, um ihn zu erwürgen. Er wollte aufstehen, aber King sagte etwas, was ihn innehalten ließ.
    »Hast du auf ihr Lied gehört, wie ich’s dir gesagt habe? Auf Susannahs Song?«
    »Ich … ja.«
    Jetzt zwang King sich dazu, sich auf einem Ellbogen aufzurichten, und obwohl seine Kräfte sichtlich nachließen, kam seine Stimme trocken und stark. »Sie braucht

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